Die letzte größere Stadt auf unserem Weg in Richtung Westen ist Solwezi. Ab hier wird es noch ländlicher. In der westlichen Region Sambias regieren die „Chiefs“ und diese wiederum unterstehen den „Senior Chiefs“. Ähnlich der Landesfürsten regieren sie ihre, oft sehr großen, Distrikte. Königreiche gibt es nicht mehr. Viele von ihnen sind jedoch tatsächlich königlicher Abstammung und so ist auch der Umgang mit den „royal highnesses“ geprägt von großem Respekt und großer Verehrung. Wie gefestigt diese Strukturen nach wie vor sind, wird damit deutlich, dass 1x jährlich eine Konferenz der Regierung mit ca. 100 Chiefs stattfindet, in der über die Geschicke des Landes beraten und beschlossen wird.
Die Teerstraße ab Solwezi in Richtung Westen ist bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr gut. Zwei Tage fahren wir durch ländliche Gegend, vorbei an kleineren Dörfern ohne jegliche Infrastruktur und Angebot. Stellenweise gibt es nicht einmal Tomaten, nur das allseits beliebte Cassava.
Lukwakwa Zeremonie in Manyinga bei Senior Chief Sikufele
In dem kleinen Ort Manyinga findet Anfang Oktober das Lukwakwa Fest statt, das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Im Ort angekommen, fragen wir uns durch. Wir wollen dem Senior Chief unsere Aufwartung machen, uns als seine Gäste aus Deutschland vorstellen, und sein offizielles Einverständnis für die Teilnahme an seinem Fest einholen. An einer „leeren“ Tankstelle haben wir Glück. Ein Untergebener des Chiefs kann uns bringen und an die richtigen Personen weiterleiten.
Die Vorbereitungen vor dem Palast und auf dem Festivalgelände sind in vollem Gange. Es werden Buden, Stände und Tribünen aufgebaut, wie bei uns zu einem Volksfest.
Wer sich nun unter dem Palast ein Schloss à la König Ludwig oder Windsor vorstellt, ist komplett falsch gewickelt. Es ist ein einfaches afrikanisches Wohnhaus, vielleicht ein wenig größer als andere, mit einigen Vorhöfen, die wahrscheinlich speziellen Zwecken zuzuordnen sind. Nur die Umzäunung ist höher als bei anderen Häusern und sie ist blickdicht.
Es ist die Palastpolizei, die sich erst einmal um uns kümmert. Freddy, so heißt unser „Vermittler“ erklärt unser Anliegen und stellt uns vor. Godfrey, der Palastpolizist, nimmt sich uns an und wir werden beim „Senior Chief“ angemeldet. Doch bevor wir „die heiligen Hallen“ betreten dürfen, erhalten wir noch einen Schnellkurs in Sachen „Benimm“.
Der Chief ist so eine Art König, wird mit „his highness“ angesprochen und man verhält sich ihm gegenüber auch entsprechend. Das bedeutet, dass wir, weil ich als Frau dabei bin, nicht zum Haupttor Einlass finden, sondern einen Seiteneingang nehmen müssen. Am ersten Tor knien wir nieder klatschen jeder 3x in die Hände und gehen einen Innenhof weiter, dort knien wir erneut und klatschen wieder 3x in die Hände, vor dem Palasteingang, einer wunderschön geschnitzten Türe, dasselbe nochmal, dann dürfen wir das Haus betreten. Der Chief sitzt auf einer Art Schaukelstuhl, der schon einige Jahre in Benutzung sein dürfte, seinem Thron.
Godfrey, stellt uns vor, der Chief begrüßt uns per Handschlag und weist uns mit einer Geste auf die Sofas hin, die im Raum an der Wand entlang stehen. Wir dürfen uns setzen, während Godfrey am Boden Platz nimmt. Wir erleben einen sehr schlanken, zierlichen älteren Mann, dem man seine Würde nicht ansehen würde, träfe man ihn zufällig auf der Straße. Er erzählt ein wenig über die Geschichte der bevorstehenden Zeremonie und erwähnt ganz nebenbei, dass wir keine „Angst zu haben brauchen, es kämen auch noch andere Weiße“.
Sein Hofstaat verhält sich ihm gegenüber sehr devot. Bevor sie ihn ansprechen klatschen sie in die Hände und während des Gespräches knien sie am Boden vor ihm.
Wir tragen unser Anliegen noch in ein „offizielles Buch“ ein, dann ist unsere Audienz auch schon beendet. Wir dürfen auf dem Palastgelände übernachten, das Organisationskomitee wird informiert und uns vorgestellt. Alles läuft hochoffiziell. Wir sind nun Gäste des „Senior Chief“ und werden als solche auch speziell behandelt.
Auf einem Stück Acker können wir stehen, irgendwie mittendrin, um uns herum die Häuser der königlichen Angehörigen. Wir erleben den Aufbau des Festes aus nächster Nähe. Immer wieder kommen Offizielle, die uns begrüßen und sich vorstellen. In Afrika ist es üblich, dass Gäste persönlich willkommen geheißen werden und dass für sie gesorgt wird. So werden wir bekocht, können unsere Wünsche äußern und am Abend wird „serviert“.
Die Spannung steigert sich jeden Tag ein bisschen mehr. Aus allen Ecken des riesigen Distrikts des Senior Chiefs werden Menschen mit ihren Musikinstrumenten auf LKW Ladeflächen herangekarrt. Ab jetzt wird die ganze Nacht gesungen, musiziert und getanzt. Die „Maskenmänner“ mischen sich allmählich unters Volk und machen ihre Späße. Uns haben sie besonders im Visier. Immer wieder fordern sie uns auf, ihre Bewegungen nachzumachen und mit ihnen zu tanzen. Doch das ist mit der üblichen europäischen Beweglichkeit nicht zu schaffen, es reicht lediglich dazu, die Menschenmasse mit unserer ungelenken Art zu belustigen. Dass wir überhaupt mitmachen finden die Menschen klasse.