Marrupa, das letzte größere Städtchen auf unserer Etappe, bietet nochmal ein einfaches Angebot an Waren. Es ist zugleich ein Knotenpunkt. Von hier sind es noch 100km in das Niassa Game Reserve. Die Landschaft ist grandios, die Piste bleibt gut. Durch das ständige Auf und Ab merkt man kaum, dass man die 800m, auf denen Marrupa liegt, allmählich verlässt. Immer wieder liegen kleinere Siedlungen am Weg. Immer häufiger sehen wir große Erdhaufen mit einem kleinen Häuschen oder einem Sonnenschutzdach darauf. Es sind Aussichtshügel von denen aus, speziell in der Nacht, die Felder bewacht werden.
Die Strecke schlängelt sich durch die Hügel vorbei an riesigen Felsen. Wir sehen die ersten Mistballen auf der Straße und das plattgedrückte Gras am Straßenrand. Immer noch leben hier Menschen und jetzt wird auch klarer, vor wem diese ihre Felder bewachen, es ist bereits Elefantengebiet.
In dieser abgelegenen Region versucht man die Menschen vor den Tieren zu schützen und zu ermöglichen, dass beiden ihre natürlichen Lebensräume erhalten bleiben. Vor ein paar Jahren hatte man die Dörfer mit Elektrozäunen vor dem Eindringen der Elefanten gesichert. Dies ist lautlos gescheitert. Seitdem versucht man die Elefanten vor dem Eindringen in die Felder zu hindern, indem die Bevölkerung die Felder durch den Anbau entsprechender Pflanzen, die Elefanten bekanntlich nicht leiden mögen, wie z.B. Tee „umzäunt“.
Für Tierbeobachtungen ist „der Niassa“ nur bedingt geeignet. Trotzdem sehen wir gleich am ersten Abend direkt am Scout Camp fünf große Elefanten vorbei ziehen. Wir nehmen Kontakt mit dem Hauptcamp auf, um uns nach einer, für uns möglichen, Route zu erkundigen. Unser Funkpartner erklärt uns wie wir zu einer Piste gleich in der Nähe kommen. Im März sei er dort langgefahren und es müsste gehen. Wir probieren es aus, schaben uns durchs Unterholz, um zirkeln Bäume und Büsche und geben, nach etwa 1 Stunde und ca. 6 km, an einer tiefen Bachfurt auf. Um da durchzukommen, hätten wir die Furt abtragen müssen, und das war es uns nicht wert. Außerdem befürchten wir, dass es auf der anderen Seite auch nicht besser weitergeht.
In jedem größeren Dorf im Park brennen die neuen Straßenlaternen, zumindest am Tag. Elektrizität hat also Einzug gehalten, und Tankstellen gibt es ebenfalls, kurz vor Mecula, dem Hauptort.
Hinter Mecula Richtung Osten ist die Piste sehr schlecht und extrem ausgewaschen. Immer wieder müssen wir wegen der vielen Tsetse Fliegen unsere Fenster geschlossen halten. In den wenigen Dörfern, die wir durchfahren, kommen die Männer auf uns zu und fragen nach Arbeit, selten, aber immer im Nachgang, fragen sie dann beschämt nach Geld. Die Orte im Schutzgebiet liegen weit auseinander und die Menschen transportieren ihre Waren hauptsächlich mit Fahrrädern, nur selten mit Motorrädern.
Nach 100km geben wir die Fahrt zu einem eingetragenen Campsite am Rio Lugenda genervt erneut auf. Die Wege sind so schlecht und schmal, zugewachsen und ausgewaschen, dass die Fahrerei eher einer Offroad- oder Trial Challenge ähnelt. Es geht einfach zu sehr aufs Material. Die zugewachsenen Wege hinterlassen Kampfspuren an unserem Shumba. Das Quietschen der Äste im Lack geht mir jedes Mal, immer noch, durch Mark und Bein.
Wir probieren es in Richtung des Hauptcamps. Hier müssen wir auch die Eintrittsgebühren bezahlen und erfahren, dass wir in diesem Jahr erst 8ten Besucher des Parks sind. Mit John vom Park Management beginnen wir ein interessantes Gespräch. Er erzählt uns, dass Wilderei im Park ein großes Thema ist. Er erklärt uns, dass in 2011 noch mehr als 12.000 Elefanten im Park waren. Als 2014 nochmals gezählt wurde waren es nur noch 4.400 Tiere. Das bedeutet eine durchschnittliche Abschussrate von etwa 8 Elefanten pro Tag über 3 Jahre! Der Elfenbeinhandel ist mehr denn je ein lukratives Geschäft und passiert grenzüberschreitend zwischen Mozambik und Tansania. Hauptabnehmer des „weißen Goldes“ ist China.
Das neue Park Management greift hart durch. Durch viele Kontrollen und Patrouillen konnte die Wilderei beschränkt werden, derzeit hören sie nur noch ca. alle 3 Wochen einen Schuss. Doch ob die 126 Scouts, die im Einsatz sind, das Gebiet zu kontrollieren, auf Dauer reichen, ist fraglich.
Nachdem wir eine Nacht im Hauptcamp verbracht haben mit interessanten Gesprächen, bekommen wir die GPS-Daten eines Scoutcamps am Metapiri. Dort dürfen wir übernachten. Die anderen Wege sind für uns tabu, Jagdgebiet versteht sich.
Wirklich flott kommt man hier nirgends voran. Für die 65 km zum Camp brauchen wir etwa vier Stunden.
Aufgrund eines Kommunikationsfehlers, werden wir an einer Schranke an einem Abzweig durch gewinkt und fahren weiter. Wir wundern uns schon, dass kein Camp kommt, sind aber auch abgelenkt durch die Landschaft und das ständige Ausschau halten nach Tieren. Als wir plötzlich an eine traumhafte Stelle am Lugenda River kommen, Stromschnellen, Hippos im Wasser und eine wunderschöne Jagdlodge. Wir freuen uns endlich angekommen zu sein und steigen lachend aus, um die beiden Herren, die uns entgegen kommen, zu begrüßen. Ohoho, deren Stimmung ist nicht die Beste. Was wir hier wollen? Wer wir sind? Wo wir herkommen? Das alles sei privat! Wir dürfen hier nicht sein! Das ist das private Jagdgebiet von Benjamin de Rothschild! Hmh??? Und jetzt? Stammelnd versuchen wir einige der Fragen zu beantworten. Doch die Herren sind aufgebracht. Nach einer Weile beruhigen sie sich etwas und versuchen unsere Seite zu verstehen. Herr de Rothschild besitzt dieses Gebiet, in der Größe von 6000ha mit etwa 1000km (!) Pisten, seit 5 Jahren und hat es zu seinem „Jagdschlösschen“ ausgebaut. Die Familie ist nicht hier, sie weilt derzeit in Pemba und wird in zwei Tagen erwartet. Der Privatjet wird die Dame des Hauses, die Kinder und deren Freunde einfliegen. Wir werden zu einer Cola eingeladen, so gastfreundlich ist man dann doch, bevor man uns zurückschickt eben an die Schranke wo wir durch gewinkt wurden.
Später stellt sich heraus, dass der Scout an der Schranke gemeint hatte, 2 Weiße mit so einem LKW können nur Freunde der Rothschilds sein.
Diese Gegend ist Wildnis pur. Es ist das größte Schutzgebiet in Mozambik und ist, mit 42 000 Quadratkilometern, zweimal so groß wie der berühmte Krüger Nationalpark. Es beheimatet die größte Wildtierpopulation in Mozambik. Doch Touristen wie wir sind hier nicht vorgesehen. Die hier lebenden Menschen werden geduldet, ansonsten ist das Schutzgebiet das Jagdgebiet für betuchte, zurzeit hauptsächlich aus Amerika kommende, Privatjäger. Die Russen, so heißt es, kommen nicht mehr so zahlreich, seitdem der Rubel so schlecht ist. Aus diesem Grund kann man sich auch nicht überall frei bewegen. Für den Abschuss gibt es ganz klare Regeln, die unbedingt eingehalten werden müssen. Ob man selbstfahrende Individualtouristen wie uns dort überhaupt je wird haben wollen? Wer weiß?
Dennoch, es war einmalig. Nach sieben Nächten im Niassa Game Reserve fahren wir aus der Abgeschiedenheit, kein Telefon, kein Internet, nur das Prusten der Flusspferde neben uns, zurück in die Zivilisation, nach Marrupa und von dort weiter ins Innere Afrikas.