Reisebericht Senegal
Teil II - Der Norden
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Teil II > Keur Ayib - Diama 09.02. - 22.02.2019 955 km
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Nach dem sehr einfachen Grenzübertritt kommen wir auf einer guten Teerstraße zügig in Richtung Kaolack voran. Es ist heiß, 39 Grad und sehr trocken, nur ca. 15% Luftfeuchtigkeit. Bereits hier erkennen wir, dass Senegal ein „melting pot“ der Stämme ist. Schwarzafrikaner und Wüstenbewohner, es treffen viele Kulturen aufeinander.
Allmählich verändert sich die Landschaft, mehr und mehr dominieren Sand und Dornbuschsavanne das Bild. Bizarre Baobab Bäume fangen gerade an, grün zu werden. Wir kommen der Sahelzone näher. Zwischen den Dornenbüschen witzeln die reetgedeckten Häuschen der Fulla hervor, deren Familiengehöfte verteilt in der Landschaft stehen. Die kleinen Ortschaften werden häufig überstrahlt von großen Moscheen und leider auch dem Müll vor den Häusern. Hier im Landesinnern, fern der touristischen Strände, ist der Pferdewagen und/oder der Eselskarren Verkehrsteilnehmer Nummer 1.
Unser Ziel ist die Stadt Touba im Herzen Senegals. Touba ist das religiöse Zentrum und die Heilige Stadt der islamischen Bruderschaft der Mouriden und nimmt als Stadt eine besondere Stellung ein. Gegründet wurde sie gegen Ende des letzten Jahrhunderts durch den Sufi-Heiligen Amadou Bamba Mbacke. Das staubige Kaff im Busch sollte ein zweites Mekka werden. Als Amadou immer mehr Zulauf bekommt, fürchtet die französische Kolonialregierung einen Heiligen Krieg und verbannt ihn ins Exil nach Gabun. Wie so oft in der Geschichte zu beobachten, erhielt er durch diese Aktion erst richtig große Aufmerksamkeit und wurde so zum Volkshelden.
Als wir ankommen sind sehr viele Menschen unterwegs. Laute Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Der Kalif ist in der Stadt und empfängt Abordnungen aus dem ganzen Land, die busweise hier ankommen. Die Menschen bringen Spenden, singen und klatschen. Die Polizei hat allerhand zu tun, den Verkehr am Laufen zu halten. Zum Magal, dem großen Treffen zu Ehren Amadou Bambas, ähnlich der Hadsch in Mekka, pilgern jedes Jahr bis zu 4 Millionen Menschen. Die kleine Stadt ist diesem Ansturm nicht gewachsen und wie es dann hier zugeht, möchte man vielleicht gar nicht erleben.
Interessant ist auch, dass Touba exterritoriales Gebiet ist, d.h. der senegalesische Staat hat hier keinerlei Verfügungsgewalt. Niemand zahlt Steuern. Die sog. Baay-fall, die Sittenwächter der Mouriden, erkennbar an ihren Rastafrisuren und bunten Flickengewändern, wachen über die Einhaltung der strengen Gesetze: Kein Alkohol, keine Zigaretten, respektvolles Benehmen, Frauen tragen Röcke und Kopftuch, Männer lange Hosen.
Die Macht der Mouriden, bzw. des Marabouts greift bis nach Dakar. Der erste Gang eines neuen senegalesischen Präsidenten ist nach Touba, um sich den Segen und die Anerkennung des Marabout geben zu lassen. Keine Regierung in Dakar hat eine Chance länger an der Macht zu bleiben, wenn dies verweigert wird.
In Touba steht die größte Moschee Schwarzafrikas, mit dem höchsten Minarett Schwarzafrikas. Und, es ist eine der größten Moscheen in Afrika. Schon beim Einparken werden wir von einem „Guide“ abgefangen. “Nichtgläubige” sind zwar ausdrücklich willkommen, dennoch gibt es Bereiche, in die wir nicht dürfen und so können wir uns als „Ungläubige“ nicht ohne Führer in der Moschee bewegen.
Das Gebäude ist ständig im Umbau, jeder neue Kalif verwirklicht irgendwelche Änderungswünsche. Gerade zu unserem Besuch werden die Innendekore und die Decken von marokkanischen Stuckateuren neugestaltet. Ornamente und Verzierungen werden erst nachträglich kunstvoll in den Gips an der Decke eingebracht! Eine unglaubliche Arbeit und das immer über Kopf! Marmor aus Italien schmückt die Fassade. Alabasterlampen, Kronleuchter und Gebetsteppiche sind aus Belgien. Mittlerweile hat die Moschee 7 Minarette und der derzeitige “Regent” ein Problem: Er darf kein weiteres Minarett bauen. Die Moschee in Mekka hat ebenfalls 7 Minarette und keine Moschee darf mehr als diese haben.
Bei so viel Prunk und Reichtum im Kontrast zu den Lebensumständen in der Stadt drängt sich natürlich die Frage auf, ob man das Geld nicht doch anders verteilen könnte?
Die Fahrt Richtung Dakar zeigt uns die andere, die arme Seite Senegals. Vorbei an notdürftig mit Wellblech verrammelten Gehöften, deren Strohdächer ausgebessert mit allem was der Abfall so Brauchbares hergibt, zur Versorgung immer wieder Ziehbrunnen und dazwischen viele Rohbauten, die bereits wieder vor sich hin verfallen. Zerfallene Häuser und Müll wohin man schaut. Öffentliche Verkehrsmittel und zugleich Fuhrunternehmen und Wasserlieferanten sind die Eselskarren. Die Menschen sind freundlich und zurückhaltend und bei unseren Übernachtungsplätzen außerhalb kleinerer Dörfer sind wir gänzlich ungestört, aber selten unbeobachtet.
Wir durchqueren Thies und erreichen bald schon die wichtigste und größte Industriestadt Westafrikas, Dakar und somit auch den westlichsten Punkt unserer Afrika-Umrundung. Die Vororte empfangen uns mit Fischgestank, viel Staub und stinkenden Industrieanlagen. Eine Dunstglocke hängt über der Stadt. Wir umgehen die äußeren Randbezirke und armen Wohngegenden auf einer exzellenten Autobahn und sind so bald im Zentrum. Unsere erste Priorität ist es, eine „Reifen-Bude zu finden, um den „cut“ im Reifen vulkanisieren zu lassen. Internet sei Dank ist dies keine Schwierigkeit. Doch die Arbeit dauert, und so wird es bereits dunkel, bis wir endlich aufbrechen können, einen Übernachtungsplatz in der Stadt zu finden.
Die Hauptstadt des Senegal, die Wirtschaftsmetropole Westafrikas, liegt auf einer weit in den Atlantik hineinreichenden Halbinsel. Wir fahren entlang der Küstenstraße in Richtung Ngor und finden auf dem Besucherparkplatz des stalinistisch anmutenden „Monument der afrikanischen Wiedergeburt“ unseren ruhigen Übernachtungsplatz für die nächsten Tage.
Am nächsten Morgen machen wir uns auf, nach langer Zeit mal wieder einen echten Supermarkt zu stürmen. Obst, Gemüse, Wurst und Schinken, französische Pasteten, frischer Käse und Fleisch ohne Fliegen, bei dem Angebot läuft uns das Wasser schon an den Theken im Munde zusammen! Wir füllen alle unsere Vorräte auf, jede Schublade, jedes Fach ist voll. Wir gehen davon aus, dass wir in Mauretanien nicht allzu viel bekommen werden und viele Dinge in Marokko wieder teurer sein werden. Und außerdem wird es noch einige Zeit dauern, bis wir dort an gut gefüllten Supermärkten vorbeikommen werden.
Trotz der vielen warnenden Stimmen in Sachen Verkehrschaos und korrupter Polizei machen wir uns erneut mit dem LKW auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Wir besuchen die alten, sehr sehenswerten Märkte in der Nähe des Hafens, passieren dabei den alten Bahnhof, dessen Jugendstilfassade in neuem Glanz erstrahlt. Und streifen durch die besseren Vororte auf der Halbinsel. Je weiter wir dort hinausfahren, umso nobler werden die Häuser. Es gibt richtig schöne Gegenden. Dakar hat so viele Gesichter, arm und reich, schöne hippe Appartementhäuser, davor Pferdekutschen und Ziegen. In manchen Ecken ist es noch wie in dem ehemaligen Fischerdorf und dann wieder zeigt sich die große Metropole, die Drehscheibe Westafrikas. In jedem Fall ist Dakar eine interessante Stadt, mit vielen Facetten. Der Verkehr ist längst nicht so schlimm wie vielfach beschrieben. Es ist kein Problem in Dakar zu fahren, alles läuft geordnet und gesittet ab.
Ein Highlight unseres Aufenthaltes ist der Besuch der ehemaligen Sklavenverschiffungsinsel Gorée. Die Insel wirkt wie eine „kleine Perle“ im Mittelmeer mit ihren engen Gassen und den vielen restaurierten Häusern. Wir schlendern durch die engen Gassen. Mit den Souvenirverkäuferinnen kommt man ganz gut zurecht und manchmal gibt es durchaus etwas Schönes anzuschauen. Im Vergleich zu den großen Verschiffungsfestungen an der Küste von Ghana sind die Sklavenhäuser auf Gorée eher klein geraten, die Geschichte dahinter ist jedoch nicht weniger grausam.
Wir haben genug vom Großstadtleben und fahren, wohl Dank Freitagsgebetszeit, entspannt aus dem Flaschenhals Dakar samt seinen ausufernden Vororten heraus. Unser Ziel „Lac du Rose“ erreichen wir heute nicht mehr, die Pisten werden tiefsandig. Die kleinen Dörfer, die wir passieren, sind fast ausnehmend Neubaugebiete. Es ist unfassbar, was hier im wahrsten Sinne auf Sand gebaut wird. Es dämmert bereits, als wir in einem Wirrwarr aus neuen Straßen und Wegen kurzerhand in einem kleinen Ort stehen bleiben um am nächsten Morgen weiter nordwärts zu fahren. Die eigentlich schöne Küste ist stark verdreckt, überall liegt Plastikmüll. Es nervt schon manchmal. So bleiben wir Inland und passieren Tivaouane, um von dort das Fischerdorf Kayar anzufahren. Etwas außerhalb des Ortes in einem Kiefernwäldchen finden wir einen ruhigen Platz zum Übernachten. In Kayar sind wir mitten im Gemüseanbaugebiet Senegals. Kiloweise kaufen wir Karotten, Tomaten, Kartoffeln, Zucchini aus dem hiesigen Anbau. Das Obst allerdings kommt aus Marokko.
Auf der Weiterfahrt kommt es zu einem „Erlebnis“ der besonderen Art. Als wir auf der Straße einen Eselkarren anhupen müssen, geht diese nicht mehr aus. Es ist ein ohrenbetäubender Lärm und selbstverständlich passiert so etwas dann nicht irgendwo auf der Landstraße, sondern mitten im Ort. Gott sei Dank haben die afrikanischen Menschen viel Humor. Wir bleiben stehen, warten bis die Druckluft runter ist und der Lärm von alleine ausgeht, dann können wir das Problem erstmal beheben.
Am Wochenende sind Präsidentschaftswahlen und im Land häufen sich die politischen Kundgebungen und Wahlveranstaltungen. Wir halten es für besser, da nicht dazwischen zu geraten. Wir wollen ohnehin weiter nach Mauretanien und auf der perfekten Teerstraße gelingt dies ganz gut, vorbei an Affenbrotbaumwäldern, staubigen Ortschaften und tausenden Akazien, die in der sandigen Landschaft stehen. In der Sahel wächst nicht mehr viel und die Landschaft ist nicht gerade ereignisreich. So habe ich Zeit zu lesen und zu recherchieren.
Kurz vor St. Louis, am Atlantik gelegen, gibt es den Nationalpark Barbarie. Viele deutsche Zugvögel finden ideale Bedingungen und überwintern hier. Am Rande des Parks ist die, unter Reisenden bekannte, Zebra Bar. Doch wir ziehen enttäuscht wieder ab: 1. zu teuer. 2. kein Platz, wo man bleiben muss. Wir fragen in der Parkverwaltung und dürfen dort für die Nacht stehen. Wir können sogar noch das Champions League Spiel FC Bayern gegen Liverpool sehen.
St. Louis ist die ehemals wichtigste Handelsstadt und erste Hauptstadt des französischen Kolonialreiches in Westafrika, auf einer Insel im Senegal-Fluss eigentlich wunderschön zwischen Lagunen gelegen und durch eine Stahlbogenbrücke mit dem Festland verbunden. Doch der ehemalige Glanz der alten Stadt ist längst verblichen, die wenigen noch erhaltenen Kolonialbauten verfallen so langsam, der Rest erstickt in unglaublichen Müllbergen.
Wir finden am Ende der Insel einen ruhigen Übernachtungsplatz. Von hier können wir das Kommen und Gehen der Pirogen, sowie das gemütliche Dahintreiben der Pelikane auf dem Wasser beobachten. St. Louis ist unser letzter Stopp in Senegal daher gehen wir nochmals auf den Markt und tanken voll. Die korrupteste und schikanöste Grenze Afrikas in Russo werden wir vermeiden, warum sollten wir uns das antun? Wir fahren nach Diama, dem anderen Grenzposten zu Mauretanien.
Alles läuft reibungslos und zügig. Adieu Senegal….
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