Reisebericht Mauretanien
Teil I - Der Süden und Südosten
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Teil I > Diama - Tidjikja 22.02. - 13.03.2019 2.048 km
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Schwarzafrika liegt hinter uns. Wir sind im Land der Mauren.
Der Grenzübergang war mit einer der entspanntesten und freundlichsten in den letzten Monaten. Alles läuft korrekt ab, es gibt hier keine Schlepper nur ein paar nette Geldwechsler, und die sind völlig unaufdringlich und hilfsbereit.
Entlang dem Atlantik fahren wir auf dem Damm von Diama auf einer Piste, die entweder durchsetzt mit Schlaglöchern ist oder tiefes Wellblech hat, beides ist extrem blöd zu fahren. Kaum ist man auf Wellblech, hat Geschwindigkeit aufgenommen, kommen Schlaglöcher oder umgekehrt, und man muss wieder auf die Bremse, runter vom Gas. Doch die Gegend ist schön, wir sehen viele Vögel und unglaubliche Flugspektakel.
Wir erreichen Rosso, den anderen vielbeschriebenen Grenzort an der mauretanisch-senegalesischen Grenze. Hier besorgen wir uns zu einem guten Kurs Geld am Schwarzmarkt und versorgen uns mit dem Nötigsten, etwas Gemüse, Brot und SIMKarte. Wir freuen uns, dass es endlich wieder gutes Brot gibt und wir nicht mehr das französische „Luftbaguette“ essen müssen. Ansonsten bietet die Stadt nicht viel, so dass wir direkt weiterfahren. Das Gebiet um Rosso hat Sahel-Charakter und ist noch sehr schwarzafrikanisch geprägt. Die Straße ist wider Erwarten sehr gut und so „stemmen“ wir uns ostwärts in Richtung der Stadt Boghé, dem Harmattan, dem Nord-Ost Passat, entgegen. Leider liegt so viel Sand in der Luft, dass die Sonne nicht recht durchkommt und alles in ein fast mystisches Licht taucht.
Die kleinen Ortschaften am Straßenrand sind regelrecht auf Sand gebaut. Nur wenige Menschen leben hier in dürftigen Behausungen, aus Schilf gebauten Hütten oder auch in einfachen Zelten auf einem Betonfundament. Sie arbeiten auf den Feldern, Generatoren laufen, um die Wasserpumpen für die Bewässerung zu betreiben. Einige große Erntemaschinen der Firma Claas stehen wie in Wartestellung im tiefen Sand, wo sie einen doch recht deplatzierten Eindruck hinterlassen. Chinesische Projektschilder am Straßenrand geben Aufschluss über die Größe und die Zeitrahmen einiger Agrar-Großprojekte. Der Süden Mauretaniens, entlang dem Senegal Fluss, ist das fruchtbarste Gebiet des Landes. Weite, ertragreiche Felder werden hier aus dem Boden gerungen. Wir folgen auf einer Länge von etwa 100km diesen Flächen und erinnern den Satz von Dr. Sedogo aus Burkina Faso „Afrika könnte sich selbst ernähren…“.
In Mauretanien gibt es viele Polizeikontrollen. Stets werden wir mit Handschlag begrüßt, die obligate Frage nach woher und wohin wird beantwortet und ein Fiche, ein Datenblatt mit sämtlichen Pass- und Fahrzeugdaten, ausgehändigt und dann winken sie uns freundlich weiter.
Die Fahrt durch die Region der Sahelzone ist alles andere als langweilig. In den kleinen Dörfern am Weg gibt es immer irgendwen oder irgendetwas zu sehen, und wenn wir uns auch nur über die schreckliche Müllsituation aufregen. Kleine, im Sand angelegte Gärten werden notdürftig mit irgendwelchen Fetzen umhängt und somit versucht vor Ziegen und Eseln zu schützen. Es ist ein extremer, ein rauer Lebensraum, eine für uns unwirtliche Umgebung. Augenscheinlich gibt es nicht mehr viel, was hier natürlich wächst, lediglich die Dornenakazie und einige Sandblumen trotzen den Bedingungen. Wir fangen an uns mit den Gegebenheiten in Mauretanien vertraut zu machen. Waren in Schwarzafrika die Lebensweisen zwischen den Ländern sehr ähnlich, so erkennen wir hier eine andere, eine für uns neue Lebensart unter harten Bedingungen. So ähnlich haben wir es bisher nur im äußersten Norden Kameruns und im Tschad erfahren.
In M‘Bout endet die gute Teerstraße und eine „alte“ einspurige Piste führt weiter durch jetzt sehr steiniges Gelände. An einem Brunnen in einem Wadi, hier nennt man es Qued, treffen wir auf Nomaden, die ihre Tiere tränken und Wasser holen. Einige der jungen Frauen tragen Silberschmuck und Geschmeide aus Glasperlen. Mit Hilfe langer Stöcke holen sie schwungvoll mit Wasser gefüllte Eimer aus tiefen Löchern. Die älteren Männer begrüßen uns freundlich und sehr aufwändig, fragen nach Hund, Katze, Maus und schicken jeder Antwort ein geseufztes „Hamdullilah“ hinterher, was so viel bedeutet wie ‘Gottseidank geht es Deiner Katze gut‘. Alle sind so entspannt, dass ich bald auch problemlos fotografieren darf, natürlich nicht, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben.
Im weiteren Verlauf ist die Piste stellenweise ziemlich zerstört. Gerade Brücken halten den Wassermassen, die es offenbar hier in der Regenzeit zu geben scheint, nicht statt. Im Zickzack suchen wir unseren Weg durchs Geröll. Vereinzelt sind auch einfache Dünenkämme zu überwinden.
In einem kleinen Dorf stoßen wir auf eine neue Wasserstelle mit Wasserhahn wo Frauen Wasserkanister füllen. Wir wollen diese Gelegenheit nutzen und fragen um Erlaubnis. Noch ehe wir unsere Schläuche ausgepackt haben, ist das halbe Dorf herbeigelaufen. Zuerst noch scheu, springen sie bei jeder unserer Bewegungen aufgeschreckt davon, doch bald überwiegt die Neugierde. Insbesondere die Frauen sind sehr interessiert und gehen auch bald auf Körperkontakt. Kleinere Wunden werden gezeigt, die mit einem Pflaster schnell geschützt sind. Das spricht sich schnell rum.
Die Frauen haben Spaß daran fotografiert zu werden, bringen ihre Babys zu mir oder mich zu ihren Babys, klatschen rhythmisch in die Hände und fordern mich direkt auf mit ihnen zu tanzen. Das wiederum finden auch die Männer amüsant und lachen mit uns. Viele löchern uns mit Fragen, sind interessiert am Woher und Wohin. Alle sind unglaublich nett und freundlich, alle sehr natürlich, nichts wirkt aufgesetzt, es entwickelt sich eine herzliche Begegnung.
Die Frauen haben Spaß daran fotografiert zu werden, bringen ihre Babys zu mir oder mich zu ihren Babys, klatschen rhythmisch in die Hände und fordern mich direkt auf mit ihnen zu tanzen. Das wiederum finden auch die Männer amüsant und lachen mit uns. Viele löchern uns mit Fragen, sind interessiert am Woher und Wohin. Alle sind unglaublich nett und freundlich, alle sehr natürlich, nichts wirkt aufgesetzt, es entwickelt sich eine herzliche Begegnung.
Das Wasser muss natürlich an die „Wächterin der Quelle“ bezahlt werden. Ein 20 Liter Kanister klares Grundwasser kostet 5 Ouguiya, das sind ca. 0,12 €-Cent. Damit wird die Wasserstelle finanziert.
Einige Geröllfelder und Dünenkämme weiter erreichen wir die aus Süden/Mali kommende neue Teerstraße, die uns nach Kiffa führt. Kiffa ist eine staubige Verwaltungsstadt, mit Marktplatz und Geschäften.
Wir biegen nach Osten ab und befinden uns jetzt auf der Route de l‘Espoir, der „Straße der Hoffnung“. Die Transmauretania ist mittlerweile durchgehend geteert und führt 1100 Kilometer quer durchs Land, von West nach Ost, verbindet somit den Hafen in Nouakchott mit dem Hinterland und dem Binnenland Mali. Auch wenn die Straße nicht den erhofften Aufschwung garantiert, so hat sie doch vielen Menschen im Landesinnern und im Nachbarland Erleichterung gebracht. Und die vielen LKW-Fahrer freuen sich über die besseren Bedingungen.
Unser erstes Ziel auf dieser langen Etappe ist das Guelta Tamrout Metrouche, das wir am Spätnachmittag erreichen. Tamrout Metrouche ist einer der wenigen Plätze, wo die seltenen Saharakrokodile leben sollen. Abgelegen von der Hauptroute, inmitten von Dünen und Felsen finden wir einen traumhaften Schlafplatz, von wo aus wir am nächsten Morgen losstapfen. Wir folgen einem Qued, umrunden große Felsen und stehen plötzlich vor einem kleinen See, der von einem kleinen Bächlein gespeist wird. Wir müssen genau hinschauen, um sie zu erkennen, zu gut getarnt liegen drei Tiere direkt uns gegenüber auf einem Felsen in der Sonne. Und obwohl wir uns sehr leise bewegen verschwinden zwei der scheuen Tiere sofort, noch bevor ich die Kamera heben kann. Das Dritte tut mir den Gefallen etwas langsamer zu sein. Wir haben unseren Kaffee mitgebracht und bleiben eine ganze Weile auf den Felsen oberhalb des kleinen Sees sitzen. Die Tiere sind unerwartet groß, etwa 2-3 Meter und scheinen sehr alt. Für uns ist es ein besonderes Erlebnis diese Tiere, die seit Jahrhunderten hier überleben, mitten in der Wüste beobachten zu können.
Ab Tintane ist die Route de l’Espoir nur mehr ein Teer-Flickenteppich, doch es hat wenig Verkehr und so kommen wir trotzdem gut voran. So allmählich gewöhnen wir uns an Mauretanien, an neue Gegebenheiten, die wir so in Afrika noch nicht gesehen haben, wie zum Beispiel die Nomadenzelte. Stoffzelte, die sehr häufig auf Betonfundamenten gespannt sind und den Familien Schutz vor dem starken Wind und der Sonne bieten. Wechseln die Familien ihren Standort, werden die Stoffbahnen aufgerollt das wenige Hab und Gut wird entweder auch mitgenommen oder es bleibt in einer abschließbaren Kiste auf dem Fundament zurück.
Bizarre Felsformationen und ein riesiger Solarpark erscheinen im Dunst des in der Luft liegenden Sandes und zeigen uns die Stadtgrenze von Ayoun el Atrous auf. Das lebhafte Städtchen, auch Verwaltungssitz der Region, kündigt sich ebenso durch viel Müll und einen Polizeiposten, der den obligaten Fiche erhält, an. Freundlich winken uns die Menschen zu und grüßen uns. Sobald wir anhalten, um z.B. Brot zu kaufen, kommt jemand zu uns, begrüßt uns und frägt uns, ob wir Hilfe brauchen, ob wir etwas suchen. So entstehen nette Gespräche und auf unsere Frage, ob denn der Wind so stark bleibt, kommt immer auch der Klimawandel zur Sprache. Normalerweise, so sagen sie, ist im März der Wind vorbei, und ab April wird es dann sehr heiß. Doch dies sei nicht mehr verlässlich, seit ein paar Jahren ist es jedes Jahr anders. Die Menschen sind sehr, sehr höflich, freundlich und hilfsbereit ohne dabei aufdringlich zu sein. Wir fühlen uns sehr wohl und aufgehoben.
Wir mischen uns unter das Volk und gehen durch den Ort. Restaurants oder ähnliche touristische Einrichtungen sucht man vergeblich. Rund um den Marktplatz finden wir Beduinenzelte vor denen Frauen auf Holzkohle Reis oder Couscous kochen und auf einem Grillrost Fleischstücke zubereiten. Die Familien, die zum Einkaufen in die Stadt kommen, treffen sich hier und stärken sich bevor sie auf den vollgepackten Eselskarren oder auch Pickups die Rückreise antreten. Man sitzt am Boden vor einer großen mit Essen gehäuften Platte und formt mit den Fingern kleine Bällchen. Es schmeckt hervorragend, obwohl für meinen Geschmack etwas zu viel Sand mitgekocht wurde. Die Menschen in den Zelten nehmen scheinbar kaum Notiz von uns. Wir werden nicht als Fremde angestarrt oder beobachtet, wir sind einfach da.
In dieser staubigen Stadt bestätigt sich unser erster Eindruck: Mauretanien, ist mit Sicherheit das Land mit der höchsten Mercedesdichte in Afrika. Ja, wir behaupten sogar, dass 80% der Fahrzeuge im Land 190er Mercedes sind. Sie sind quasi unkaputtbar und leicht zu reparieren.
Je weiter wir nach Osten kommen, umso sandiger wird es. Die Dünen rechts und links der Straße werden höher und auch die Sandverwehungen auf der Straße bremsen uns immer häufiger ein. LKWs ohne Allradantrieb bleiben auf der Teerstraße im Sand stecken. Sehr häufig passieren wir riesige Rinder- und Ziegenherden, viele Esel und Kamele. Alle sehen wohlgenährt aus. Was fressen die Tiere hier nur?
Die Route de l’Espoir endet in Nema, der östlichsten Stadt Mauretaniens. Und wer bisher keinen Kulturschock bekommen hat, den trifft es spätestens jetzt. Nema ist für uns die letzte sichere Versorgungsmöglichkeit für die nächsten ca. 800 Kilometer. Es gilt die Tanks mit Wasser und Sprit zu füllen. Als wir uns an der Tankstelle erkundigen, wo wir Wasser erhalten können, meldet sich ein junger Mann, der zufällig zur Stelle ist, und nimmt uns mit zu sich nach Hause. Bei ihm gibt es einen Wasseranschluss mit Hahn und dazu werden wir ohne viel Aufhebens auch gleich noch zum Essen eingeladen. Während das klare Wasser durch die Schläuche in unseren Tank fließt wird gekocht und der Tisch, bzw. der Boden gedeckt. Natürlich entlässt man uns nicht ohne die obligate Teezeremonie und uns viel Glück für die bevorstehende Etappe zu wünschen.
Die vor uns liegende Route liegt abseits der Hauptverkehrswege und wird uns entlang dem Abbruch des Tagantplateaus zu mittelalterlichen Siedlungen und Brunnen führen, an denen Nomaden seit Menschengedenken ihre Tiere tränken. Zwischen Nema im Osten und Tidjikja im Westen liegen ca. 800 km Abgeschiedenheit vor uns.
Nachdem wir gleich hinter Nema eine kleine steile Passhöhe erreicht haben, geht es weiter auf enger Sandpiste nach Norden. Noch sind wir in der Dornensavanne, doch je weiter wir nördlich kommen umso sandiger wird es.
Hinter einem kleinen Pass öffnet sich eine weite Senke. Weiße Nomadenzelte reflektieren im Sonnenlicht. An einem Brunnen tränken sie wie seit jeher ihre Kamele und füllen ihre Wassertonnen. Wir halten an und beobachten das geübte Vorgehen, das Zusammenspiel zwischen Mensch‘ und Tier und wie es geduldig von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben wird. Nach einer Weile frage ich, ob ich fotografieren darf.
Bis wir die alte Oasenstadt Oualata erreichen, müssen noch viele Dünen und Sandverwehungen umfahren werden. Nur wenige Reisende verirren sich in diesen sehr abgelegenen Teil des Landes, zu abgelegen und zu strapaziös die Anfahrt. Und seit das Auswärtige Amt die Reisewarnungen ausgegeben hat, kommen noch viel weniger.
Oualata ist ein sehr geschichtsreicher Ort. Die siebtwichtigste Stadt des Islam war eine der wichtigsten religiösen Städte des Altertums gleich wie Chinguetti, Ouadane, Tichitt und Timbuktu. Sie war ein Ort der Gelehrsamkeit. Die Madrasa, die islamische Religionsschule, war in ganz Westafrika über Jahrhunderte führend, und ist heute noch soweit intakt, dass jährlich noch um die 20 Schüler aus verschiedenen islamischen Ländern aufgenommen werden. Oualata war eines der wichtigsten Handelszentren der Karawanen, aber auch der Treffpunkt der Pilger nach Mekka. Im 15. Jahrhundert ging die Bedeutung des Ortes allmählich zurück, der Karawanenhandel verlagerte sich auf eine weiter östlich gelegene Route, die durch Timbuktu in Mali führte.
Heute ist die Stadt Weltkulturerbestätte mit noch etwa 3000 Einwohnern und ist berühmt für seine lehmverputzten, mit Ornamenten verzierten, Steinhäuser. Die Bemalungen, die magische Bedeutungen haben sollen, sind eine besondere Kunsttradition, die bis heute noch von den dort ansässigen Familien gelehrt und praktiziert wird. Es gibt eine Dorfbäckerei und einige kleinere Läden in denen nur das Notwendigste zu bekommen ist.
Vor unserer Abreise versuchen wir noch unseren Wasservorrat zu füllen, doch im Moment geht die Pumpe im Ort nicht, Elektrizitätsprobleme. Wir bleiben geduldig und tatsächlich können wir nach einer Stunde an einer kleinen Pension Wasser bekommen.
Wir verlassen die Oase in Richtung Westen entlang der Falaise, einer Abbruchkante, weite Geröllfelder sind zu durchfahren und es wird zunehmend sandiger. In der Ferne erscheinen Inselberge. Fast biblisch erscheinen uns die Bilder als uns nacheinander drei, mit Salz beladene, Kamelkarawanen, entgegenkommen. Je circa 30 schwer beladene Kamele stapfen fast lautlos durch den Wüstensand und folgen den Meharis, die uns lediglich einen kurzen Blick schenken und ansonsten von uns gänzlich unbeeindruckt weiterwandern. Auch sonst sind wir nicht alleine hier draußen. Immer wieder tauchen Kamel-, Schaf- und Ziegenherden auf. Irgendwo hier draußen leben Menschen, denn wir begegnen auch immer wieder reisenden Nomadenfamilien, das wenige Hab und Gut auf zwei Kamele geschnürt und eine Ziegenherde im Schlepptau. Die Landschaft verändert sich stetig, es wird karger, steiniger. Kilometer für Kilometer verlassen wir die Sahelzone, in der Ferne sehen wir die ersten Dünen.
Wir sind auf der Suche nach den Brunnen von Tagouraret, in deren Nähe das Salz abgebaut wird, das mit Hilfe der Karawanen auf die Märkte transportiert wird. Trotz Waypoints und GPS ist es nicht einfach die Route zu finden. Ein paarmal fahren wir uns in den Weichsandfeldern fest, müssen schaufeln, Luft aus den Reifen ablassen, um gleich darauf, wegen der Steine, wieder aufzufüllen. Doch es lohnt sich.
In der Senke von Tagouraret gibt es einige Brunnen und die Nomaden kommen mit hunderten Kamelen und Ziegen. Seit Jahrhunderten ist es dasselbe Prozedere. Lustig reden sie auf uns ein, als wenn es nichts anderes als ihre Sprache gäbe. Dass wir kein Wort verstehen interessiert keinen. Nach einiger Zeit des „Warmwerdens“ frage ich, ob ich fotografieren darf. Ohne Zicken und Murren lassen die Männer zu, dass ich das Geschehen und auch sie selbst an den Brunnen fotografiere. Viele sind darunter, die es sichtlich genießen und ihre Späße mit Freunden und Tieren machen. Es ist fantastisch wie offen, natürlich und unverkrampft die Männer sind. Jede Begegnung ist ein Erlebnis.
Die Fahrt ist anstrengend, viele Sandverwehungen und Gebiete mit Sicheldünen müssen großräumig umfahren werden. Immer wieder kommen wir, mehr oder weniger nahe, an Nomadenzelten vorbei. Sobald uns die Frauen und Kinder entdecken, laufen sie uns entgegen. Viele sind krank, haben Husten, Fieber, entzündete Augen, sie klagen über Kopf-, Kreuz- und Knieschmerzen, fragen nach Tabletten und sonstiger Medizin. Immer wieder müssen wir sie abweisen, ab und zu eine verunreinigte Wunde säubern, mehr ist nicht drin, mehr können wir nicht leisten. Viele fragen auch nach Feuerzeuggas, um ihre Gaskocher betreiben zu können, immerhin können wir Streichhölzer anbieten.
Um Übernachtungsplätze müssen wir uns keine Gedanken machen. Ein Stück rechts oder links abseits der Route finden wir stets schöne Plätze und ungestört ist man hier sowieso. Auf einer kleinen Wanderung am Morgen stoßen wir auf Steinkreise und jede Menge Tonscherben. Das Gebiet entlang der Falaise, der Plateau-Abbruchkante des Tagant war vor tausenden von Jahren bereits besiedelt, so sind an einigen Stellen Überreste neolithischer Siedlungen zu finden.
Auch am Brunnen von Oujaf halten wir an und erleben witzige und neugierige Menschen. Und auch die Männer freuen sich über die Abwechslung. Ab hier wechseln sich Geröllebenen und Queddurchfahrten ab. Die Szenerie ist obgleich sie eintönig erscheint interessant. Es folgen lange Tiefsandpassagen, die mit hohen versandeten Kamelgrasbüscheln durchsetzt sind. Dies ist nicht gerade ein Vergnügen und geht gehörig aufs Material. Ist man zu langsam gräbt man sich trotz dem niedrigen Luftdruck in den Reifen ein, ist man zu schnell „springt“ man schnell mal über so einen Buckel und „knallt“ gleich darauf auf den nächsten. Die Kunst ist, die richtige Geschwindigkeit und zudem den richtigen Weg durch die Buckel zu finden. Wir spüren schon, wie sehr sich „unser Shumba“ durch die Landschaft quält und verwindet. Eine paar hundert Meter lange Dünenauffahrt, die wir durchaus mit Vollgas angehen, bringt uns auf eine sandige Ebene mit bizarren Felsformationen. Diese Landschaften, diese unendliche Weite sind so unglaublich schön.
Wir erreichen eine schmale Auffahrt zu einem steinigen Pass, unsere Spurbreite passt gerade mal so. Oben angekommen haben wir einen grandiosen Blick zurück in die sandige Ebene. Es ist einer unserer Traum-Übernachtungsplätze!
Spät, schon in der Dämmerung kommt noch ein Reiter mit vier Lastkamelen den Pass herauf. Er hält an, steigt ab. In der Wüste ist es nicht üblich an jemandem „vorbei zu gehen“, man begrüßt sich. Nachdem wir ihm zu trinken gegeben haben, bedankt er sich höflich nimmt seine Kamele und reitet seiner Wege.
Mittlerweile hat uns Mauretanien verzaubert. Es sind die Begegnungen mit den Menschen die diese Reise so besonders machen.
Am frühen Morgen kommen zwei Jungs mit Lastenkamelen und zwei Pickups vorbei. Es sind die ersten zwei Autos, die wir seit 5 Tagen sehen. Kurz nachdem wir losgefahren sind, treffen wir auf eine Familie, die direkt am Weg sitzt. Die Mutter hält mir ein Baby entgegen, es hat einen entzündeten Nabel und Fieber. Die Frauen husten schwer und der Mann jammert ebenso wegen Schmerzen. Was soll man da machen? Die nächste Versorgung ist hunderte Kilometer weit weg.
Wir verlassen das steinige Hochplateau, den Enji Pass hinunter in eine Sandebene in der viele Zelte, aber auch Steinhäuser von Nomaden stehen. Die beiden Jungs auf den Kamelen von heute Morgen holen uns hier wieder ein. Diese Häuser waren ihr Ziel, hier lebt ihre Familie und wir werden mit viel Trara zum Anhalten aufgefordert. Die Frauen bieten uns einfache Glasperlen an, sie wollen Geld dafür. An Zucker und T-Shirts sind sie nicht sonderlich interessiert, der gute alte Tauschhandel funktioniert nicht mehr. Wir fahren weiter und erreichen bald ein großes Lavageröllfeld, das wir nur im Schritttempo durchqueren, obwohl die Spur ganz gut ausgefahren ist. Achtung ist geboten, scharfkantige Steine könnten uns die Reifen aufschlitzen.
Gleichdarauf wieder gänzlich anderes Terrain, die Fahrspuren sind im Sand kaum zu erkennen, lediglich einige Tierspuren. Erneut suchen wir unseren Weg querfeldein zwischen Kamelgrashügel und Wanderdünen. Auf einem großen Weichsandfeld, das noch dazu eine Steigung aufweist, graben wir uns zweimal richtig schön ein. Schaufeln, Luft ablassen, rausfahren, Luft wieder aufblasen und weiter. Und weil’s so „schön“ war, ein paar Meter weiter das Ganze gleich noch einmal …. So erreichen wir leider das eingeplante Tagesziel, die Fingerfelsen von El Sba, heute nicht. Irgendwo mittendrin, auf einem weiten Sandfeld, bleiben wir einfach für die Nacht stehen.
Das Wetter meint es gut mit uns, es hat sich verändert. Es gibt fast keinen Wind mehr, dazu blauer Himmel bei nur bis zu 35° Grad, optimales Mauretanien Wetter.
Erneut erleben wir einen anstrengenden Fahrtag mit vielen Weichsanddünenfeldern, mit großen Kamelgrasbüscheln durchsetzt, hinter denen sich der Sand ansammelt. Dazwischen immer wieder Senken, in die man tunlichst nicht fahren sollte. Später überqueren wir riesige Felsplatten über hohe Stufen und Steinbrocken. Doch wir werden reichlich für die Strapazen entlohnt heute erreichen wir die Felsenfinger von El Sba und können den „Koloss von Zeiga“, einen einzelnen Bergklotz mitten in der Wüste bewundern. Eine gute Stunde später schlagen wir an der Formation der Elefantenfelsen „Rocher de Makhrouga“ unseren Lagerplatz auf. Gerade mal 41 Kilometer sind wir heute gefahren, mit einem Schnitt von 8,1 km/Stunde und einem Durchschnittsverbrauch von 75 Litern. Es war anstrengend, doch diese herrlichen Landschaften entschädigen.
Zwei Nächte bleiben wir am Elefantenfelsen und feiern Klaus‘ Geburtstag. Und wir bekommen Besuch von einem allein reisenden Nomaden, der mit zwei wunderschönen hellen Kamelen und ein paar Ziegen unterwegs ist. Zur Begrüßung drückt er mir ein kleines Lamm in die Hände, das er aus den Untiefen seiner dicken Satteldecken holt. Ganz weich und warm ist es noch und ganz wacklig auf den Beinen. Doch was sollen wir mit einem Lamm? Dankbar gebe ich es ihm zurück. Er schlägt etwas abseits ein kleines Lager auf, verbringt hier die heiße Mittagszeit und später macht er sich wieder auf den Weg. Wir hingegen klettern durch die Formationen des Elefantenfelsen und genießen diese unglaubliche Natur.
Über weite, schier endlos scheinende Sandebenen mühen wir uns weiter. Nur selten sind Spuren zu erkennen. Der tiefe Sand lässt den Spritverbrauch in die Höhe treiben. Wir trauen unseren Augen kaum als am späten Vormittag die Silhouette eines Fahrzeuges vor uns auftaucht. Wir treffen doch tatsächlich zwei Deutsche Männer, in einem spanischen Land Cruiser, die nach Oualata wollen. Ein kurzer Plausch, ein Foto und dahin rauschen sie, sie haben wenig Zeit.
Am nächsten Morgen ziehen an unserem Fenster fast lautlos Nomaden vorbei. Frau und Kind auf dem Kamel reitend, der Mann zu Fuß mit dem Lastenkamel, immer darauf achtend, dass alle mitgeführten Tiere zusammenbleiben. Sie winken uns kurz zu.
Als wir losfahren wollen entdecken wir einen recht üblen Cut in der Außenwand des Vorderradreifens, noch verliert der Reifen keine Luft, er hält noch. Da ist es gut, dass erneut Weichsandfelder vor uns liegen. Die Orientierung ist hier einfach, wir folgen den Spuren im Sand und erreichen so die „alte Stadt“ von Akreijit. In den Felsen auf der Abbruchkante gelegen, ist dieser Ort ein besonders gutes Beispiel einer neolithischen Siedlung mit einer ummauerten Fläche von rund 1,2 ha. Akreijit ist eine, der am besterhaltenen Ausgrabungsstätten in der gesamten Sahara. Wir wandern durch die Mauerreste und entdecken dabei Reibeschalen, Stößel und Felsgravuren. Hier wurden auch schon Kupferwerkzeuge, darunter auch eine Pfeilspitze und die ältesten Belege für Landwirtschaft am Südrand der westlichen Sahara gefunden. Ihre früheren Bewohner schauten von ihren Häusern auf einen ausgedehnten See, der heute ein Meer aus Sand geworden ist, den Aouker. (Das Neolithikum ist die zwischen 9000 und 8000 v. Chr. einsetzende und etwa 6 000 Jahre währende letzte Epoche der Steinzeit, sie endete etwa 2400 bis 1800 v. Chr. mit dem Beginn der Bronzezeit, in der metallurgische Fähigkeiten erstmals die Herstellung von Werkzeugen und Waffen aus den Rohstoffen Kupfer und Zinn ermöglichten.)
Nicht weit entfernt, hinter einem kleinen Pass gelegen, ist das neue Dorf Akreijit entstanden. Exakt gebaute Steinhäuser, stehen weit verstreut in einer sandigen Ebene, Dünen leuchten im Hintergrund und am Rand überragt wird die Oase überragt von einem neuen Wasserturm, dessen Inhalt den Palmenbestand und somit die Existenz der Oase sichert.
Wir lassen die Oase Akreijit hinter uns, fahren weiter über eine weite, meist steinige Fläche durch eine eher eintönige Landschaft. Mit Rückenwind können wir sogar in den 8ten Gang schalten und kommen so kurzzeitig mal auf Tempo 50. Doch die Freude ist von kurzer Dauer. Kurz vor Tichitt müssen wir den angeschlagenen Reifen dann doch wechseln. Der tiefe Cut in der Seitenwand hat sich geöffnet.
Tichitt war, wie Oualata, eine Karawanenstadt und eine Stätte des Islam. Bekannt ist die Stadt für die überaus exakte Steinbauweise der Häuser. Die Steinplatten werden aus naheliegenden Steinbrüchen geholt und im Ort per Hand passend bearbeitet. Warum der Ort allerdings Weltkulturerbe ist, erschließt sich uns nicht. Es gibt eine Tankstelle und wenn man Glück hat, gibt es hier auch Diesel. Dazu ein spärliches Angebot an Gemüse, von den Frauen gebackenes Fladenbrot und einen „Kruschladen“, in dem der geneigte Nomade findet was er so braucht wie z.B. Feuerzeuge, Gas, Kernseifen und Seile etc. Wir verbringen die Nacht zwischen Fußballplatz und Polizeistation, wo wir auch unseren Wasservorrat auffüllen können.
Auf einer gut sichtbaren, tiefen Sandpiste verlassen wir den Ort entlang der Palmen. Leider ist die Luft erneut sehr sandig, so können wir die schöne Umgebung entlang der Falaise nur ahnen. Wir reduzieren nochmals die Luft in den Reifen auf Kampfdruck, heißt 1,5 bar, um über ein großes Weichsandfeld zu gleiten und anschließend nach einem Kilometer einen kleinen Anstieg zu überwinden. Dann wird der Reifendruck wieder auf 2,5 -3 bar erhöht, schließlich wollen wir unsere Reifen nicht allzu sehr beanspruchen.
Man ist gut beschäftigt auf solchen Strecken, insbesondere als Fahrer muss man sich sehr auf die vielen kleinen Bodenwellen, die in der Eintönigkeit der Landschaft verschwinden, konzentrieren.
Wir fahren in Richtung unserer Waypoints, folgen den, hin und wieder grad so sichtbaren, Spuren und stoßen so alle paar Kilometer auf rot-weiße Wegmarken aus Beton, welche die Hauptpiste zwischen Tichitt und Tidjikja markieren. Mehr Orientierungspunkte gibt es nicht.
Große Steinfelder sind zu überqueren und wechseln sich ab mit tiefem Sand, Verwehungen und Dünen, die überquert oder umfahren werden müssen. Hin und wieder tauchen im Sandschleier Kamele und Ziegen auf. Leider ist der Wind erneut stark und die Sicht dazu sehr getrübt. Es ist ein sehr unwirtlicher rauer Lebensraum.
Dann, wie aus dem Nichts tauchen Häuser auf, aus der Sandspur wird eine Piste. Nach zwölf Tagen im „Out back“ und rund 820 km seit Nema kommen wir in der kleinen Verwaltungsstadt Tidjikja an. Wir sind wieder in der Zivilisation, wir sind wieder unter Menschen.
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