Der Grenzposten „Suam River“ ist klein. Bei der Einreise sitzt eine Frau an einem Schreibtisch und scherzt mit uns. Ihr Kollege, der in die Stadt gefahren ist, ist wegen der schlechten Straßenverhältnisse noch nicht wieder zurück und ausgerechnet dieser soll die Einkleber für die Visa bringen und die Quittungen für die Gebühren. Aber nach einigem Reden teilt sie uns fast beiläufig mit, dass sie ja die Befugnis besitzt, zu entscheiden, wer in das Land darf und wer nicht. Und da wir „nur auf Urlaub“ seien, gibt sie uns jetzt den Einreisestempel und auch die Aufenthaltsgenehmigung für 3 Monate, das sei gar kein Problem. Damit sind wir offiziell im Land. Natürlich müssen wir die 100 US$ Visa-Gebühren entrichten, ohne Quittung selbstverständlich, die Blöcke sind ja noch unterwegs. Beim Zoll funktioniert auch alles etwas gemütlicher. Es dauert, bis der Beleg für die 20US$ Roadtax ausgefüllt ist und das Carnet gestempelt ist. Der junge Mann ist nicht ganz happy von uns US$ zu bekommen, die Wechselkurse würden ja so schwanken, ihm sei Uganda oder Kenia Währung lieber. Nur, das eine haben wir nicht mehr und das andere haben wir noch nicht. So gibt er sich knurrend mit Dollar zufrieden.
Seit 1962 ist Uganda von den Briten unabhängig. Und es schaute so aus, als würde das alles funktionieren, sie planten ein föderales System, das die vielen unterschiedlichen Ethnien im Lande unter einen Hut bringen sollte. Die Menschen hatten große Hoffnung. Die Wirtschaft fing an zu wachsen. Doch dann kam alles anders. Milton Obote, der erste unabhängige Präsident, tyrannisierte das Land, dann unter Idi Amin, dem Monster, wurde alles noch schlimmer, danach setzte Obote wieder fort was er begann. Das Land war beherrscht von Terror, Gewalt, Willkür und Misswirtschaft. Jahrzehnteland war dies der Alltag in Uganda. Die Umstände ließen das Land verarmen, die aufgebaute Infrastruktur zerbrach rasant.
Bei den Säuberungsaktionen unter Amin verloren 400.000 Menschen ihr Leben, und in der zweiten Amtszeit Obotes starben wahrscheinlich 500.000 Ugander. Dazu kam der 35 Jahre dauernde Bürgerkrieg im Norden des Landes und so geisteskranke Rebellenführer wie Joseph Kony. Dazu später mehr.
Seit 1986 ist nun Musevini Präsident des Landes und das Land ist zur Ruhe gekommen. Doch die Folgen dieser Jahre des Horrors, wirtschaftlich, politisch und auch psychologisch, sind noch nicht beseitigt. Und auch Musevini ist mittlerweile umstritten. Die Opposition wird gewaltsam unterdrückt, Pressefreiheit im Lande gibt es quasi nicht. Dem Präsidenten wird ein zweifelhafter Machthunger nachgesagt, er sei ein Kleptokrat, ein Freund Mugabes, der sich, zu welchem Preis auch immer, selbst bereichert. Und, auch unter Musevini sollen tausende von Menschen ihr Leben verloren haben.
Wir sind gespannt, ob wir als Reisende von dieser furchtbaren Geschichte etwas mitbekommen.
Die Straße nach der Grenzstation ist eine reine Erdpiste. Zu Anfang kommen wir gut voran und passieren viele kleinere Siedlungen. Die meisten Menschen winken uns freundlich zu. Man hatte uns vor dieser Strecke gewarnt. Nachdem vielen Regen sei sie vielerorts richtig schlammig und schwierig zu befahren. Je mehr wir nach oben in die Waldstücke kommen, trifft das dann auch zu. Einige Passagen liegen den ganzen Tag im Schatten und da bleibt die Straße dann auch nass und die Löcher werden immer tiefer. Ja und dann ist es soweit, wir sehen es schon, eine Kurve weiter vor uns, stehen eine ganze Schlange LKW’s und kleinere Lieferwägen in einer Kurve in einer Steigung. Eine Straßenbaumaschine reißt die Straße auf und schiebt die trockene Erde in die Kurve. Jede Menge Leute helfen, teilweise mit Schaufeln und Harken, die Erde zu verteilen, der Rest des Dorfes schaut zu. Für uns ist hier kein Durchkommen, solange die Fahrzeuge unter uns in Zweierreihe stehen und ganz ungeduldig warten, endlich nach oben zu kommen. Schließlich warten diese Fahrer bereits eine Nacht. Wir müssen die anderen passieren lassen und da die Kurve zu steil, der Erdboden zu locker und zu feucht ist, kommen die Fahrzeuge nicht weit, sie bleiben in der Kurve stecken. Wir packen einen unserer Bergegurte aus und schleppen einen nach dem anderen ab der Kurve nach oben. Es entwickelt sich eine richtige Teamarbeit. In kurzer Zeit haben wir fünf Kleinlaster hochgezogen, als es wieder mal wie aus Eimern zu schütten beginnt. Der hat sich wegen Spritmangel schon verabschiedet. Jetzt ist Schluss!
Im Nu ist alles wieder komplett durchnässt, schlammig und rutschig. Nicht mal zu Fuß kann man sich richtig bewegen. Das heißt für uns, unseren LKW auf der Straße einigermaßen gerade stellen und auf morgen warten. Die Bewohner des naheliegenden Dorfes sind alle um uns herum, besonders die Kinder. Neugierig sind sie, schauen uns ganz tief in die blauen Augen. Ich trage eine Jeans, und das ist für eine Frau ganz ungewöhnlich. Hier tragen die Frauen Röcke! Arm sind sie, die Kleider der Kinder sind vielfach zerrissen und die meisten tragen keine Schuhe. Viele frieren, es hat gerade mal 18 Grad und alle sind durchnässt. Aber sie lachen und strahlen und haben ihren Spaß mit uns. Als es dunkel wird, ziehen wir uns zurück. Erst mal eine Nacht drüber schlafen.
Am nächsten Morgen stehen die Ersten bereits um 06:30 Uhr wieder am Hang und diskutieren. Auch wir stehen auf, frühstücken kurz und bereiten uns dann auch vor wieder zu helfen. Die Kurve, bzw. der Hang ist völlig durchnässt. Das Wasser kommt vom Berg, aber auch aus dem Boden, alles ist tief schlammig. Nachdem ein Fahrzeug versucht hat, hoch zu kommen und es nicht gelungen ist, wird erst mal geschaufelt und gebuddelt, mit dem Ziel den Hang etwas trocken zu legen. Was natürlich dauert. Irgendwann versucht der Erste erneut mit Schwung, bis zum Scheitelpunkt der Kurve hoch zu fahren, dort hängen wir dann die Abschleppgurte ein und ziehen raus. Der Boden in der Kurve weicht mehr und mehr auf, die Schlammhaufen werden größer und größer. Sie werden zu Hindernissen, wodurch die Fahrzeuge dann in den Gegenhang, in Richtung eines Abhanges gezogen werden. Die Fahrzeuge müssen zusätzlich auch noch seitlich gesichert werden. Wir fordern die umstehenden Männer auf zu helfen und an einem Gurt dagegen zuziehen. Auf diese Weise schaffen wir es am Vormittag sechs Kleinlaster raufzuziehen. Jetzt sind alle oben und wir stehen alleine da.
Mittlerweile sind tiefe Spuren im Schlamm und alles ist noch mehr aufgeweicht und durchgewalkt. Wir überlegen ob wir umkehren sollen. Nach genauer „Analyse“ der Situation fassen wir uns dann aber ein Herz. Wir legen Steine in die schlimmsten Löcher, graben etwas um, und langsam, langsam, rollen wir nach unten durch den Schlamm. Es ist gut gegangen!