Wir befinden uns im Grenzgebiet zu Kenia in einer der abgeschiedensten Gegenden Tansanias. Es ist das Land der Maasai, dem sagenumwobenen stolzen Kriegervolk. Doch davon ist, zumindest für uns, wenig zu sehen. Viele sind mittlerweile angesiedelt. Ihre „Bomas“, ihre Rundhütten, liegen verstreut in der Landschaft. Als wir gerade eine kurze Rast einlegen, kommt ein junger Mann auf uns zu und spricht uns in gebrochenem Englisch an. „Smart“, so sein Name, ist westlich gekleidet und will sich nur unterhalten. Er erzählt, dass er 500 Kühe und 700 Ziegen besitzt und deutet stolz auf das Vieh in der Umgebung. Drei von seinen fünf Kindern gehen in Kenia zur Schule, dort sei es besser, dort lerne man ihnen Englisch. Ja, und drei Frauen hat er, das ist ihm auch noch wichtig zu erwähnen. Sagt’s und macht sich ohne weiteres Aufhebens wieder zurück zu seinem Vieh. Eine erstaunliche Begegnung!
Durch sehr trockenes Buschland, es hat seit Monaten nicht mehr geregnet, fahren wir Richtung Osten. Die Piste ist staubig und rau und in der Regenzeit wohl kaum zu bewältigen. An der Strecke finden wir super Übernachtungsplätze. Gelegentlich kommt mal ein Maasaijunge mit seinen Ziegen oder Kühen vorbei. Sie sagen kurz Hallo und mit Hilfe unseres Wörterbuches schaffen wir es doch einfachste Gespräche zu führen. Nach einer Weile gehen sie wieder.
Wir durchqueren die „aufstrebende“ Kleinstadt Loliondo. Hier wird viel gebaut, ein „Stadtprojekt“ in der weiten Steppe. Ein Elektrizitätswerk ist bereits in Betrieb und so wie es ausschaut sollen hier bald weitere Menschen angesiedelt werden. In der Weite der Landschaft sehen wir auch immer wieder riesige Tierherden. Diese werden meist von einem kleinen Jungen oder einem Jugendlichen bewacht, die älteren Maasai nehmen kaum Notiz von uns. Die Männer stehen, in rote oder blaue Kangas (Tücher), gewickelt, mit langen Stöcken ausgestattet, auf einem Bein in der Landschaft und bewachen ihre Herden. Hin und wieder winken sie freundlich zurück, von sich aus jedoch zeigen sie eher stolze Zurückhaltung.
Seit Klein’s Gate verlieren wir rasch an Höhenmeter. Der, ab Loliondo größtenteils 2-spurige, „Schotter-Highway“ führt vorbei an vielen Bomas der Maasai direkt an unser Ziel. Wieder einmal bewegen wir uns auf unserer Reise am Rande des ostafrikanischen Grabenbruches. Vom riesigen Serengeti Plateau geht es hinunter zu einem der spektakulärsten Gebiete Tansanias. Unser Ziel ist der Natronsee.
Oberhalb des Sees finden wir einen wunderbaren Stellplatz mit einem tollen Rundumblick. Wie eingebettet, umgeben von hohen Bergmassiven und Vulkankegeln, liegt der See unter uns. Heiß ist es! Wir messen über 37 Grad im Schatten und 57 Grad in der Sonne. Aber es ist trocken und so lässt sich die Hitze gut ertragen. Der alkaline See, der an seiner Nordspitze bis hinein nach Kenia reicht, ist bis auf wenige Stellen trocken. Die Salzschicht, die sich im Laufe der Zeit gebildet hat, glänzt und flimmert im heißen Sonnenlicht. Gespeist wird der See durch zwei Zuflüsse, einer im Norden, in Kenia und einer hier im Süden.
Der Natronsee ist das einzige Fortpflanzungsgebiet der Flamingos im gesamten Rift Valley. Ein purpurn-schimmerndes Algenmeer in den tieferen Stellen des Sees ergibt eine einzigartige Nahrungsgrundlage, die diese Tiere jedes Jahr wieder kommen lässt.
Im Süden erhebt sich der mächtige Ol Doinyo L’Engai, der einzige noch aktive Vulkan im ostafrikanischen Grabenbruch. Erst 2007 war der letzte Ausbruch. Das erstaunliche an diesem imposanten Vulkan, mit seinen tief zerfurchten Flanken ohne jegliche Vegetation, ist die Tatsache, dass seine Lava schwarz ist und „nur“ 550 Grad heiß. Der L‘Engai ist der einzige aktive Vulkan der Erde, der eine solche, kalte, tiefschwarze Lava ausstößt. Für die Maasai ist der 2.878 Meter hohe Berg der Sitz ihres Gottes.
Am Morgen steht ein junger Mann vor unserem LKW. Zurückhaltend und schüchtern verhält er sich als wir ihn ansprechen. Nur langsam „taut“ er auf und stellt Fragen. Als wir frühstücken hält er sich dezent im Hintergrund und wartet ab. Höflich ist er und stolz. Oder einfach nur gut erzogen? Wie sich rausstellt, heißt er Tingoi und wohnt in der Boma „da hinten“. Drüben, auf der anderen Seite des Hügels grasen seine Kühe. Die sind aber jetzt Nebensache, der LKW ist viel interessanter und vor allem die Weltkarte an der LKW Seite hat es ihm angetan. Ich zeige ihm wo Deutschland liegt und wie weit es von dort nach Tansania ist. Er ist sehr wissbegierig, doch glaube ich, er weiß gerade mal wo Arusha ist.
Seine Mutter, Nazuri, die mit Tingoi‘s kleinem Bruder, Tutu, jeden Tag 500 Ziegen auf der Suche nach Futter durch die Gegend treibt, schaut ebenfalls vorbei.
Ein kurzes Hallo, ein Lachen, dann ruft für alle wieder die Pflicht, auch für Tingoi. Lachend springt er davon. „Kwa Heri“ rufen wir uns zu, als er bereits auf der anderen Seite des Hügels ist. Es heißt „auf Wiedersehen“ und bedeutet zudem „viel Glück“. Zwei Tage bleiben wir an diesem tollen Ort und Nazuri besucht uns während dieser Zeit noch ein paarmal.