Reisebericht Sudan
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Teil I > Hafen Suakin - Meroe
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Irgendwie kamen wir mit dem Irrglauben an, dieses Land sei wie die anderen islamischen Länder nur ärmer. Doch weit gefehlt! Der Sudan ist zweifelsohne ein afrikanisches Land begleitet mit einem Hauch Arabien. Wir sehen dunkelhäutige Menschen, Männer mit Turban und Jalabiya, Frauen mit bunten, den Körper kunstvoll umhüllenden Tüchern. Das ist Afrika: die Armut, die Art zu leben, das Lachen der Menschen.
Schon der erste Eindruck in der Nacht ist sehr positiv. Im ersten Ort treffen wir zufällig einige Leute vom Schiff wieder und sitzen bei Foul und Pfefferminztee an einem Lokal auf einem staubigen Platz gemütlich zusammen. Es gibt leider kein kühles Bier dazu, das gibt es nirgends im Land. Im Sudan gelten die Gesetze der Scharia. Wer Alkohol trinkt, riskiert es, öffentlich ausgepeitscht zu werden. Nach der Grenzprozedur weckt das einfache Essen unsere Lebensgeister und öffnet uns die Augen für das Geschehen um uns herum. Die Gerüche, die Farben, die Musik, die lachenden Gesichter es ist eine teilweise fremde, durchwegs heitere und keineswegs eine bedrohlich wirkende „neue" Welt.
Suakin ist der älteste Hafen Sudans. Auf Suakin Island kamen die Mekka Pilger Nordafrikas zusammen, um mit Schiffen nach Jeddah bzw. Mekka zu fahren. Die alte Korallenstadt ist zerfallen nur einige Gebäuderuinen und alte Moscheen zeugen von der alten Zeit. Suakin war lange Zeit auch ein Sklavenhafen.
Am nächsten Tag müssen wir uns in der Polizeistation registrieren lassen. Daher geht’s weiter nach Port Sudan. Eigentlich eine verschlafene Stadt, wäre da nicht das tiefe Hafenbecken, das es großen Schiffen erlaubt, hier vor Anker zu gehen. Es ist Freitag und ruhig. Wir „cruisen" umher, orientieren uns. Wir suchen nach den Ämtern auf die wir gehen müssen und gehen über den Markt um uns alles anzuschauen. Hier machen auch den ersten Kontakt mit der zivilen Polizei, die von uns gleich ein Fotoerlaubnis sehen will, die wir natürlich nicht haben. Am Abend schlendern wir an der Corniche entlang, hier ist richtig was geboten. Die Menschen sitzen in Cafés oder bummeln durch die Straßen.
Am nächsten Morgen kaufen wir die Telefonkarten (Sudani hat angeblich im gesamten Land die beste Abdeckung) und registrieren uns polizeilich. Die Prozedur ist weitgehend unverständlich, sie dauert lange und schließt eine Art Schnitzeljagd durch verschiedene Büros ein. Dennoch bleibt die Atmosphäre stets nett und entspannt. Als nächstes holen wir uns das Fotografier Erlaubnis, das ohnehin nur für diese Region gilt. Ämter zu finden ist nicht ganz einfach, oft sind sie nicht mal beschildert. Noch einmal durchleben wir eine geradezu irrwitzige Bürokratie. Aber auch diese Hürde ist bis zum Abend genommen und damit ist es vollbracht: Wir sind endlich offiziell hier gelandet.
Nachdem wir auch noch eine Möglichkeit finden unsere Wassertanks zu füllen, fahren wir erst spät weiter in Richtung Landesmitte.
Hinter dem 1200m hohen Akaba Pass machen wir Halt in einem Wadi, das Klima ist angenehm, besonders nachts kühlt es ab auf ca. 16 Grad. Spontan entscheiden wir am nächsten Tag zu bleiben und mal wieder eine Groß-Reinemachaktion durchzuführen. Die weitere Strecke Richtung der Provinzhauptstadt Atbara, dort wo der Nil den letzten Zufluss mit dem Atbara Fluss erhält, führt durch weitere sandige Ebenen. Die Behausungen der Menschen lassen uns erstmal in Grübeln geraten. Ärmlichste Behausungen aus Ästen gebaut mit Reifendecken, Plastikfolien, Pappkarton und Sonstigem abgedeckt. Manche Ortschaften haben kleine Lehmhäuser. Die wenigsten Menschen besitzen ein Auto, der Esel ist Transportmittel Nr. 1. Welch‘ ein Kontrast zu den reichen Arabischen Ländern.
Atbara ist ein Marktplatz, eine Versorgungsstadt und mit großer Zementindustrie im Umfeld. Das Leben spielt sich in den Straßen ab - auch das der Frauen. Auf dem sehenswerten Markt füllen wir unsere Vorräte an frischen Sachen auf. Man lässt uns in Ruh, trotzdem braucht so ein Einkauf viel Zeit. Denn es ist notwendig, den Preis einer Ware vorab zu klären und wo möglich zu verhandeln, und wenn es nicht passt, beim nächsten Händler von vorne zu beginnen.
Das Fotografieren wird von den meisten Menschen sehr gut aufgenommen. Viele fordern uns sogar auf zu fotografieren. Dennoch gibt es trotz Erlaubnis der Menschen vereinzelt immer wieder Situationen, in denen „Offizielle" auftauchen, die laut schimpfend das Fotografieren untersagen.
Aus der Stadt zieht sich ein schmales Teerband nach Norden, über hunderte „Speed Bumps" durch viele Lehmdörfer am Nil entlang. Kurz hinter Berber hört die Teerstraße auf. Speed Bumps gibt es trotzdem, die kann man sogar auf Schotterpisten bauen.
Später geht die relativ neue Teerstraße wieder weiter entlang einer alten Bahntrasse. Gott sei Dank, die Piste war schon echt übel. Zu früh gefreut, im nächsten Dorf ist sie auch schon wieder zu Ende. Jetzt fahren wir mehr oder weniger geradeaus durch die Nubische Wüste. Hinter Berber bis weit über Abu Hamed hinaus sehen wir immer wieder Goldsucher aus Darfur und dem Süden des Landes, die in ärmlichsten Behausungen hier in der Wüste leben und tagsüber Steine klopfen oder mit Suchgeräten durch den heißen Sand laufen, in der Hoffnung ein paar Gramm Gold zu finden.
Wir brauchen durch die weiten Sandebenen der Wüste 2 Tage nach Wadi Halfa. Die Eisenbahntrasse, die hier vor fast hundert Jahren durch die Wüste gebaut wurde ist eine gute Orientierung, denn es führen tausend Spuren in Richtung Norden.
Wadi Halfa ist der nördlichste Punkt unserer Afrikareise. 400 km Wüste liegen hinter uns, ab hier ist wieder Teerstraße. Die kleine beschauliche Stadt am Lake Nasser ist Versorgungsstation für die Beduinen und die erste Anlaufstation von Afrikareisenden aus Ägypten. Diese Touristen kennt man hier. Vor dem arabischen Frühling kamen viele über Ägypten hier ins Land, jetzt ist es ruhiger geworden.
Für uns geht es wieder Richtung Süden, den Nil entlang, den die Straße auch irgendwann erreicht. Von nun an folgt sie dieser grünen Pulsader Sudans. Ein schmales Band, das sich seit Jahrtausenden durch das knochentrockene Herz der Nubischen Wüste schlängelt und an dem wächst, was das Land zum Überleben braucht. Die Menschen hier leben seit Jahrtausenden vom Nil. Ackerbau und Viehzucht wird hier mühsam betrieben. Die lebensstiftende Kraft von Wasser kann kaum eindrucksvoller offensichtlich werden. In Wawa besichtigen wir den Tempel von Soleb. Mit einem kleinen Motorboot setzen wir über den Nil. Das Thermometer zeigt 42 Grad. Gott sei Dank ist es ein kleiner Tempel.
Bei Delgo setzen wir auf die Westseite des Nils über auf der Suche nach dem 3. Katarakt. Auf der sog. Westbank gibt es keine Teerstraße. So müssen sich die Afrikareisenden vor 100 Jahren gefühlt haben, als sie, allerdings auf Kamelen, die Quellen des Nils erforscht haben. Bis auf die Schotterpiste scheint es, als hätte sich hier nichts verändert. Die Lebensweise der Menschen ist sehr einfach.
Auf ziemlich holpriger Piste juckeln wir durch kleine Dörfer, verstaubte, trostlose Ansammlungen eingeschossiger Lehm- oder Ziegelbauten, die in der heißen Sonne, 43 Grad, wie verwaist im Sand stehen. Die Menschen führen das Leben von Bauern und Viehzüchtern, die Arbeitsbedingungen sind hart und mühsam. Nur hin und wieder sehen wir einen Traktor, ansonsten verrichten sie mit Eseln das Pflügen der Felder. Allein das Wasser holen sie mit Pumpen vom Nil nach oben in Kanäle um die Felder zu bewässern. Der Esel bzw. die Eselkarre ist Fortbewegungsmittel Nr. 1. Die Menschen sind arm, noch längst nicht steht vor jedem Haus ein motorisiertes Fahrzeug.
Wenn sie uns sehen, winken sie sofort und strahlen uns an. Von diesen Menschen geht eine unglaubliche Herzlichkeit und Freundlichkeit aus. Wo immer wir sind werden wir zu Tee oder Kaffee eingeladen. Die Kinder laufen uns entgegen, lachen und winken uns zu. Jeder begrüßt einen händeschüttelnd und irgendwoher kommt immer jemand, der ein paar Brocken englisch spricht…
In der Nacht hören wir 3 Karawanen vorbeiziehen. D.h. eigentlich hören wir nur das Grummeln der Kamele und das Singen der Männer, ansonsten hätten wir es nicht mitgekriegt.
Wir kommen nur langsam voran, nach 2 Tagen kommen wir in Dongola an, einem Städtchen mit guter Versorgung. Geldwechsel ist auf dem Souk beim Gemüsehändler, der wiederum jemanden kennt, problemlos möglich. Und, ab hier gibt es (endlich) wieder eine gute Straße Richtung Süden.
Am späten Nachmittag erwischt uns ein heftiger Sandsturm. Bei diesem Wind kann man nichts mehr unternehmen, wir entscheiden weiter zu fahren. Es wird immer heftiger. In der Dämmerung sieht man nur noch ein paar Meter weit. Erst in der Dunkelheit suchen wir nach einem Schlafplatz. Um 20:00 Uhr hat es 38 Grad und wir können keine Fenster öffnen, um „frischen" Wind reinzulassen. Bewegungslos liegen wir jeder in seiner Ecke und lesen. Bloß nicht bewegen! Erstaunlicherweise schlafen wir trotz der Hitze ganz gut. Nur sehr spät, oder besser gesagt früh, kühlt es in dieser Nacht ab. Am Morgen ist die Luft immer noch voller Sand, es ist zwar noch böig, aber längst nicht mehr so stürmisch und es hat abgekühlt auf 25 Grad, richtig angenehm.
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Im weiteren Verlauf reisen wir durch das Gebiet eines alten Königreichs. Um 750 v. Chr. (eventuell auch bereits um 1000 v. Chr.) gründeten nubische Fürsten in der Gegend von Karima einen Staat, der den altägyptischen Namen Kusch übernahm und rasch expandierte. Die Könige sahen sich als die wahren Bewahrer der ägyptischen Religion und Kultur. Tatsächlich hinterließen sie der Nachwelt viele Pyramiden.
Über eine neue, von Chinesen erbaute, Brücke wechseln wir bei Merowe erneut die Flussseite nach Karima, um die Ausgrabungen von El-Kurru zu besichtigen. Die ersten Gräber auf diesem königlichen Friedhof der Nubier datieren aus dem 9. Jahrhundert vor Christus. Die fantastisch erhaltenen Wandmalereien in einer Gruft sind der Lohn für die Anreise.
Ein Stück zurück direkt bei Karima gelegen sind die berühmten Pyramiden von Jebel Barkal, dem heiligen Berg. Die alten Ägypter und die Nubier glaubten dieser Berg sei die Heimat von Gott Amun, der „Thron der Zwei Länder". Ihm zu Ehren wurde am Fuße des Berges ein großer Tempel erbaut, dessen Reste zu besichtigen sind. Am interessantesten allerdings sind auch hier die Grabpyramiden des königlichen Friedhofes, die dem Sand der Wüste trotzen und noch recht gut erhalten sind.
Ein paar Kilometer auf der anderen Nil Seite entlang, gelangen wir zu den Grabpyramiden von Nuri. Diese sind noch älter als die bei Jebel Barkal oder Meroe. Sie versinken allmählich im Sand, aber genau das verleiht der Szenerie einen besonderen Charme.
Nach soviel Kultur geht es für uns auf einer neuen Teerstraße, auf der kaum Verkehr ist, weiter Richtung Atbara. Auf einer Strecke von 300 km ist hier nichts, nur unglaublich schöne weite Ebenen und Wadis und trotzdem leben hier immer wieder Nomaden mit ihren Ziegen, Kamelen und Esel. Die Menschen leben in einfachen Hütten aus Palmstroh mit Plastikfolien notdürftig gegen den Wind abgedeckt. Die Route ist eine alte Handelsroute, die Port Sudan erst mit dem Nil und dann weiter mit Wadi Halfa verbindet. Es ist eine ideale Querverbindung durch die Bayuda Wüste.
Unterwegs trinken wir hin und wieder einen Tee oder Kaffee bei den Teefrauen auf den Märkten. Dies ist immer ein interessanter Treffpunkt. Irgendjemand spricht immer Englisch. Und es zeigt sich, dass auch die Bevölkerung viele Fragen an uns hat und interessiert ist, zu erfahren wie es für uns ist, wo wir doch soweit von zu Hause weg sind. Natürlich geben wir gerne Auskunft.
Seit dem letzten Sandsturm weht immer noch ein sehr böiger starker Wind, so dass wir uns leider nicht soviel außerhalb des Fahrzeuges aufhalten. Der Sand knirscht ohnehin schon zwischen den Zähnen.
Bei Ed Damer sind wir wieder auf der Hauptroute nach Khartoum und so reihen wir uns zwischen hunderte schwerbeladene LKW‘s ein. Die Straße führt direkt an Meroe vorbei, der alten kuschitischen Hauptstadt. Hier ragen rund 100 Pyramiden wie "abgebrochene Zähne" aus dem Wüstensand (so der Reiseführer). Sie sind wesentlich kleiner als ihre Vorbilder in Ägypten, aber sie umgibt eine mystische Schönheit, von der Gizeh weit entfernt ist. Hier sind wir, abgesehen von ein paar Souvenirverkäufern, ganz alleine. Dagegen erinnert das Treiben um die ägyptischen Pyramiden eher an Disneyland. Es gibt keinerlei touristische Infrastruktur. Wozu auch in einem Land, in dem es so gut wie keine Touristen gibt.
Orangefarbene Sanddünen haben einige der Pyramiden fast schon „verschluckt". Wir haben den Eindruck wir entdecken einen in Vergessenheit geratenen Ort. Unweit der Pyramiden campen wir und sitzen lange bis in die Nacht vor unserem Truck und lassen die Szenerie auf uns wirken. Selbst der Halbmond taucht alles in ein mystisches Licht.
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Bildergalerien: Sudan I - der Osten und die Nubische Wüste
Sudan II - am Nil entlang
Sudan III - am Nil und der Süden
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Shumba - die Weltenbummler - Weltreise mit dem Allrad Reisemobil
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