Reisebericht Äthiopien
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Teil II >> Debre Damo - Addis Ababa 01.05. - 28.05.2014 1.629 km
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Gleich hinter dem Dorf Hawzien treffen wir zufällig auf die italienisch geführte „Gheralta Lodge". Sie ist wunderschön in das Gelände eingebettet. Wir haben Glück. Normalerweise nimmt der Patron keine Individualreisenden auf sein Gelände, doch irgendwie scheinen wir ihm zu gefallen und er macht eine Ausnahme. Der Deal ist Verpflegung gegen Standplatz und so genießen wir den Luxus eines 4 Gänge Menüs und eines Frühstücksbuffets und schlafen in unseren Betten. Vier Nächte verbringen wir in der Lodge und genießen den wunderschönen Blick in die Ebene und auf die Berge von Gheralta. Wir nutzen die Zeit auch mal wieder richtig sauber zu machen und reparieren unsere Toilette. Die Pumpe baut kein Vakuum mehr auf. Wir stehen vor einem Rätsel.
Die Gegend, Tigrai, ist bekannt für seine Felsenkirchen. Manche sind nur durch waghalsige Klettereien zugänglich. Bevor wir abfahren, lassen wir uns noch ein paar Tipps geben.
So steuern wir den kleinen Ort Debre Zion an. Natürlich empfangen uns wieder die übliche Kinderschar und ein Führer. Erneut folgen harte Verhandlungen. Der Führer, der Helfer des Führers, der Mann, der den Mann holt, der den Schlüssel für die Kirche hat und schließlich der Mann, der den Schlüssel der Kirche hat, alle wollen bezahlt werden. Alles klar? Dazu kommt der Eintritt für die Kirche und die Zugaben für eventuelle Sehenswürdigkeiten die gegen Aufpreis noch gezeigt werden.
Wir einigen uns und nehmen den Aufstieg in Angriff. Zunächst geht der Weg über Geröll, dann über Felsen steil bergauf. Mit einigen Verschnaufpausen wegen mangelnder Kondition und der hohen Lage sind wir dann doch gut 1,5 Stunden unterwegs. Schon auf dem Weg nach oben ist das uns umgebende Panorama wunderschön und selbst der Weg nach oben ist es wert erobert zu werden. Oben angekommen hat man einen sagenhaften Blick über die Ebene von Gheralta und auf einige andere Kirchen, die in oder auf die Berge gebaut wurden.
Debre Sion Abuna Abraham ist eine große Felsenkirche mit Gemälden aus dem 15. Jhdt. und birgt ein unglaubliches Buch. Die Bilder sprechen für sich.
Wie der Zufall es will, findet in dem kleinen Ort Debre Sion gerade an diesem Tag eine Hochzeit statt. Wir sind eingeladen. Ein unglaubliches Erlebnis. Aus der ganzen Umgebung kommen die Leute hierher um zu feiern, zu trinken, zu essen und zu tanzen. Das Fest dauert 24 Stunden und die Familien der Brautleute legen sich für die Ausrichtung ganz schön ins Zeug. Wir werden herzlich empfangen. Fremde, noch dazu Weiße, hier im Dorf auf einer Hochzeit, das ist schon etwas Besonders.
Ein Mann verteilt Trinkgefäße aus einem Plastiksack, sauber ausgewaschene Eintopf- oder Gemüsedosen. Dahinter steht schon der Mann mit der sauberen Gießkanne aus der das bräunliche Getränk, genannt sowa, ein lokales Bier, ausgeschenkt wird. Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, der Braut und dem Bräutigam zu gratulieren und viel Glück zu wünschen. Die Armen müssen bis 06:00 Uhr morgens ausharren. Sie dürfen erst als Letzte zum Tanz, dann ist die Hochzeitsfeier beendet. Sofort werden wir wieder aufgefordert, uns zu setzen. Sitzen in Reih und Glied, auf einem Baum, ist ganz wichtig, darauf wird geachtet. Dann werden große geflochtene Korbtische, genannt „mesob" aufgestellt, darauf befindet sich „injera" das typische, schwammartige Sauerteigbrot, dazu werden verschiedene Soßen und auch Fleisch verteilt. Wir müssen essen, aber schon beim ersten Bissen bleibt uns die Luft weg. Die Mahlzeiten sind mit berberee gewürzt einer höllenscharfen Paprikamischung. Nach dem Essen wird getanzt. Auch dies geschieht nach festen Ritualen und Abläufen. Da wir Gäste sind, dürfen wir uns einfach einreihen. Wir versuchen, uns dem Rhythmus der Menschen anzupassen und sie freuen sich, dass wir mitmachen. Spätestens jetzt kennt uns jeder im Dorf.
Am nächsten Tag nehmen wir unseren Guide, Kyros, mit in die nächste größere Stadt nach Wukro und besuchen am Weg noch eine wunderschöne Felsenkirche Abreha und Azbeha in dem gleichnamigen Dorf. Sie ist eine der größten Felsenkirchen Äthiopiens, ursprünglich aus dem 4. Jhdt. Und wurde im 13. Jhdt. angebaut. Im neueren Teil wurde sie dann auch vollständig ausgemalt und diese Malereien sind unglaublich gut erhalten.
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Nach soviel Kultur geht unser Weg nach Mekele. Mit mehr als 200.000 Einwohnern ist sie die erste wirklich größere Stadt in Äthiopien. Hier wollen wir uns mit frischen Lebensmitteln versorgen. Wir finden einen guten Markt und sogar Butter und Käse. Nach Joghurt und Milch halten wir vergeblich Ausschau. Auch unseren Reifen, in den wir uns bereits in den Simien Mountains einen Stein eingefahren hatten, lassen wir endlich reparieren.
Zum ersten Mal werden wir von einer Gruppe Jugendlicher richtig störend „belästigt" und nach einer Weile auch beschimpft. Wir ergreifen die Flucht, bevor es eskaliert. Mekele ist keine Stadt in der man sich lange aufhält, daher lassen wir sie schnell hinter uns und fahren weiter Richtung Maychew.
Nach einigen Erkundigungen haben wir uns gegen einen Besuch in der Wüste Danakil entschieden. Zum einen, die jetzt dort herrschende Hitze, die Danakil ist die heißeste Gegend der Erde. Zum zweiten die Kosten, für eine 4 tägigen Ausflug legt man ca. 600 US$ pro Person auf den Tisch. Die Menschen vom Stamme der Afar verlangen hohe Schutzgelder für den Eintritt in ihr Stammesgebiet und man kann so eine Unternehmung aus Sicherheitsgründen nur organisiert unternehmen. Und zum Dritten die Sicherheitslage. Es gibt angeblich immer wieder Überfälle, die Auflagen für Besuche werden ständig verstärkt und trotzdem passieren Erpressungen und Entführungen.
So fahren wir hinter dem kleinen Dorf Komar wieder in die Berge. Über enge Passstraßen bewegen wir uns durch eine spektakuläre Bergwelt Richtung Lalibela. Schnell sind wir wieder auf 3000 Meter, Serpentine um Serpentine schrauben wir uns nach oben in die dünne Luft und dann wieder nach unten auf ca. 1500. Die Behausungen werden wieder ärmlicher, die Lebensbedingungen wieder schwieriger. Die Passhöhen, die wir überwinden, könnten ebenso in den Französischen oder in den Schweizer Alpen zu finden sein.
Zwischen den Serpentinen bleibt kein einigermaßen ebenes Fleckchen ungenutzt. Alles wird beackert. Die Menschen in dieser Abgeschiedenheit sind oft stundenlang unterwegs ihre Besorgungen zu erledigen. Es gibt hier nur das Allernötigste und das, was der Boden hergibt.
Wir beobachten das Leben der Menschen, das hauptsächlich auf einem kleinen Grundstück vor der strohgedeckten Rundhütte, Tukul genannt, stattfindet. Die Wände sind aus grob gehauenen Holzstämmen, dazwischen ein Lehm-Strohgeflecht, eine niedrige Tür, keine Fenster. Außen wird gekocht, geschlachtet, die Wäsche gewaschen, die Frauen machen sich gegenseitig die Haare. Im Haus wird gewohnt und geschlafen, teilweise mit den Tieren. Heute ist ein Festtag. In jedem Dorf werden Schafe oder Ziegen geschlachtet und die Jungs laufen dann mit den abgezogenen Tierfellen durch die Dörfer.
Bereits seit Tagen regnet es jeden Nachmittag, heute jedoch besonders stark. Die hohen Berge sind nebelverhangen. Die sonst gute Piste wird teilweise zur Rutschpartie. Früher als sonst bleiben wir auf einer Anhöhe stehen und machen uns auf zu einem Spaziergang.
So kommt es, dass wir Woldo kennenlernen. Woldo kommt gerade aus der Schule und wundert sich nicht schlecht, dass ihm heute auf seinem Nachhauseweg zwei Weiße entgegen kommen. Nach etwa 45 Minuten drehen wir auf der Straße wieder um und gehen zurück. Woldo beobachtet uns und so holen wir ihn wieder ein. Es ist 17:00 Uhr. Er versteht überhaupt nicht, warum wir wieder zurückkommen. Wir sollten doch in den nächsten Ort gehen? Spazierengehen? Was ist das? Klar, wenn man ohnehin alles zu Fuß erledigt, geht man nicht mehr spazieren. Das Wort existiert wahrscheinlich in Äthiopien gar nicht.
Er geht mit uns und erzählt, dass er jeden Tag ca. 7 Kilometer, einfach natürlich, in die Schule geht. Stolz holt er sein Englischbuch und sein Heft aus seiner kleinen Tasche und zeigt es uns. Interessiert will er wissen woher wir kommen. Germany? Ah Germany! Aufgeregt blättert er in seinem Englischbuch und findet ein Bild und einen Text über Albert Einstein. Der kommt auch aus Germany, aus Ulm! Ein guter Mann. Woldo hat eine große Verbrennungsnarbe an der rechten Hand. Er erzählt, dass er sich im Alter von 6 Jahren an der Kochstelle verbrannt hat und seitdem kann er seine Hand nicht mehr gut bewegen. Außerdem muss er heute noch lernen, morgen schreibt er einen Test. Er will gut sein.
Am Auto angekommen verabschieden wir uns von diesem freundlichen, aufgeschlossenen Jungen und wünschen ihm viel Glück. Wir verschwinden in unserem Zuhause, er geht ein Stück weiter, dann steht er aber noch lange im leichten Regen in der Dämmerung und schaut zurück. Was er wohl jetzt denkt? Es sind diese Begegnungen, die unsere Reisen bereichern.
Es regnet die Nacht durch. Am nächsten Morgen nicht daran zu denken, weiter zu fahren. Wir bleiben einfach da, und erledigen Schreibkram und andere Dinge. Der Regen wir schon irgendwann aufhören.
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Am nächsten Morgen scheint die Sonne wieder. Wir brechen früh auf, denn wir wollen die abgelegene Yemrehanna Krestos Kirche in den Bergen besuchen. Eine Sackgasse führt dort hin. Die Straße ist bis auf wenige Ausnahmen gut zu befahren, doch ca. 7 km vor der Kirche ist Schluss. Die Straße ist weggeschwemmt und der noch vorhandene Streifen ist sehr unterspült und durchgeweicht. Die Spur ist für den LKW zu schmal, da kommen wir nicht durch. Schade! Enttäuscht drehen wir um und fahren zurück. Da kommt uns ein Kleinbus entgegen. Die haben noch Platz! Ein Versuch ist es wert. Schnell drehen wir um und fahren dem Bus hinterher. An der Stelle an der wir gescheitert sind holen wir sie ein und machen uns mit lautem Hupen bemerkbar. Ja, sie wollen auch in das Kloster und sie nehmen uns gerne mit. So kommt es, dass wir Jenny und ihre zwei Freunde kennenlernen. Jenny lebt und arbeitet in Addis Abeba und gemeinsam sind sie zu einem längeren Wochenende in Lalibela. Wir verstehen uns mit ihnen auf Anhieb.
In dem gleichnamigen Ort Yemrehanna ist Schluss und über viele Stufen kommt man nach oben zu der Grotte in welche die Kirche in traditioneller Bauweise aus Holzfachwerk und Bruchsteinen gebaut wurde. Sie hat eine fantastische Holzdecke. Ein Teil der Höhle ist voll mit Gräbern und es liegen massenweise mumifizierte Körper umher. Ebenfalls in der Höhle befindet sich ein zweites Gebäude das wohl mal ein Klostergebäude war. Ein unglaublicher Ort!
Wieder zurück an unserem LKW tauschen wir Adressen aus und fahren getrennt weiter.
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Auf über 2600 m über dem Meeresspiegel, in einer grandiosen Bergwelt liegt die Stadt, die neben Axum, eine der wichtigsten religiösen Stätten des Landes ist, Lalibela. Der Name des Ortes geht auf den äthiopischen König Lalibela zurück, der Mitte des 12. Jahrhunderts in dieser Abgeschiedenheit Felsenkirchen erbauen ließ. Für eine der wichtigsten Städte Äthiopiens wirkt Lalibela auf den ersten Blick etwas heruntergekommen. Der Charme des Ortes erschließt sich uns erst nach einigen Spaziergängen.
Es wird viel gebaut, der Ort soll schöner werden. Zierliche Frauen sind hier, wie auch anderswo im Land, im Straßen- und Häuserbau eingesetzt. Sie schleppen Steine und Zementsäcke, schaufeln Sand oder räumen mit bloßen Händen Steine weg. Die Menschen grüßen freundlich und die Kinder versuchen einen mit den irrwitzigsten Geschichten anzubetteln. Man merkt schnell, die Menschen hier sind Touristen gewöhnt. Und das spürt man auch an Eintrittspreisen. Ein 5-Tagesticket für alle Kirchen, elf an der Zahl, allesamt auf spektakuläre Weise in den Boden, also tief nach unten in den gewachsenen Felsen hinein geschlagene Sakralbauten, kostet 50 US$. Bis Januar 2013 waren es noch 21 US$.
Doch diese Bauwerke muss man gesehen haben. Es ist ein Labyrinth aus Stein und Höhlen, Licht und Schatten, dazu die mittelalterlich anmutenden Priester, die ihre Kreuze präsentieren und immer wieder verhutzelte Mönche und Nonnen. Diese Kirchen sind fast alle noch „in Betrieb". In ihnen wird noch regelmäßig Gottesdienst gehalten. Zwei ganze Tage klettern wir in den fantastischen Denkmälern einer alten Zeit umher. Nach vier Nächten in Lalibela verlassen wir den Ort in Richtung Gashena und fahren weiter durch diese wunderschöne Bergwelt.
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In dem kleinen Ort drehen wir, an der sogenannten Chinese Road, in Richtung Westen ab, hinauf in das äthiopische Hochland auf über 3000 Meter.
Immer wieder sehen wir kleine Dörfer, weite Felder und große Weidegründe, auf denen sich reichlich Vieh tummelt. Für die Besitzer stellen diese Tiere keinen wirtschaftlichen Faktor dar, sondern sie sind vor allem soziales Prestige. Aus unserem Reiseführer erfahren wir, dass: nur ein kleiner Teil des Bodens als Ackerland genutzt wird. 69% des Landes wären theoretisch landwirtschaftlich nutzbar, ganze 6% werden tatsächlich bestellt. Die Versorgung von über 80 Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln soll auch während trockener Jahre sichergestellt sein. Doch die Bauern im Land (80% der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft) besitzen den Acker nicht, den sie pflügen. Privatbesitz von Boden ist in Äthiopien nicht möglich, die Verfassung sieht das Land als Staatseigentum. Die Menschen bekommen lediglich ein Nutzungsrecht. Und ohne Landbesitz wird kein Bauer gewinnbringend und investiv wirtschaften. Er kann sein Nutzungsrecht nicht als Banksicherheit verwenden, womit ihm keine Möglichkeit einer Investition gegeben ist. So liegt viel Land brach und die Menschen hungern in schlechten Jahren. Äthiopien zählt nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt.
Uns erinnert das Hochland mehr an das Voralpenland als an Afrika. Dank dem Regen der letzten Tage ist alles herrlich grün und saftig.
Egal wo und wann wir stehen bleiben, sofort sind wir von ca. 20 Menschen umzingelt.
An diesem Abend erhalten wir erneut ein „Lehrstück" in Sachen Äthiopien: Wir finden eine Zufahrt zu einer schönen Wiese in der Nähe ein paar Hütten. Der Platz ist ideal für die Übernachtung. Es dauert nicht lange, und wir sind von mehr als 50 Menschen, hauptsächlich Kinder, belagert. Wir grüßen freundlich, geben den Alten die Hand, und fragen, ob es OK ist, wenn wir hier die Nacht verbringen. Kein Problem. Nach einem kurzen Spaziergang, auf dem uns einige begleiten, machen wir ein paar Fotos. Alles ist gut. Als es dämmert ziehen wir uns in den Aufbau zurück. Kaum sind wir drinnen, geht es los. Das Auto wackelt, wir hören es klappern, kleinere Steine knallen an das Auto. Wir gehen wieder raus. Was soll das? Überall an den Klappen sind die Kappen auf, alles was irgendwie beweglich ist, Gott sei Dank ist das bei uns nicht viel, ist verdreht.
Unser Prüfen der Sachlage wird mit kindischem Gelächter begleitet. Ein Sender des Reifenluftdrucksystems, der auf dem Ventil aufgeschraubt ist, fehlt, ein anderer hängt gerade noch so am Ventil. Schei…! In den Schlössern der Unterflurboxen und Seitenklappen stecken Holzspäne.
Während wir ziemlich sauer versuchen, zu erfahren was das soll, versucht einer der Jugendlichen in den LKW zu kommen. Die Türe hat er schon auf, als Klaus ihn gerade noch am Kragen zurück ziehen kann. Mann, fällt das schwer in so einer Situation ruhig zu bleiben. Die Alten lassen ihre Kinder gewähren, es dauert lange, bis einer dazwischen geht. Wir drohen mit der Polizei, das wirkt. Sie merken jetzt, dass wir sauer sind und es wird ruhiger. Nachts liegen bewaffnete Männer neben unserem LKW, um uns zu beschützen. Vor was denn? Vor den eigenen Kindern?! Als wir am nächsten Morgen abfahren fliegen uns Steine hinterher und das „jujuju" der Kinder begleitet uns. Erst viel später erfahren wir, dass "Juju" ein wenig schmeichelhafter Ausdruck für "Weiße" bedeutet. Diese Erfahrung macht uns traurig und betroffen.
Kinder werfen Steine, und zwar auf Alles. Sie werden von klein auf dazu erzogen, Verantwortung zu übernehmen für Ziegen, Kühe, Esel. Sie passen auf Tiere auf, denen sie nicht mal über die Schultern schauen können. Und, Steine zu werfen, lernen sie von den Alten, die selbst ihren Kindern Steine hinterherwerfen, wenn sie nicht parieren. Es scheint ein probates Mittel in der Erziehung zu sein. Die Kinder kennen es nicht anders.
Heute jedoch stellen wir uns die Frage: Können wir in Äthiopien tatsächlich nur auf bewachten Hotelparkplätzen übernachten? Wir ziehen uns ohnehin schon sehr häufig in die Wohnkabine zurück, erledigen dort unsere Dinge und machen unser Essen. An ein Lagerfeuer, draußen zu sitzen oder gar draußen zu essen, ist gar nicht zu denken. Das Leben draußen im Freien, das wir so lieben, ist uns hier nicht möglich. Das müssen wir (leider) endlich kapieren.
Landschaftlich und kulturell ist Äthiopien ein absolutes Highlight. Das Verhalten der Menschen, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, jedoch ist äußerst nervig und frustrierend.
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Wir verlassen das Hochland, um hinunter auf 1800m zum Tana-See, dem größten See Äthiopiens zu fahren. Aus dem Lake Tana entspringt der Blaue Nil, der dann in Khartoum mit dem weißen Nil zusammenfließt. In der Stadt Bahir Dar suchen wir einen Standplatz und klappern die Hotels ab. Die von uns geforderten „Parkgebühren" bewegen sich in der Spanne von Minimum 300 Birr (= 12€) bis Maximum 51 US$ (!). Wohlgemerkt nur für das Benutzen eines bewachten Parkplatzes. Sich aufzuregen lohnt sich nicht. Am Ende kommen wir im Garten des Ghion-Hotels unter. Dort stehen wir für 6,00€, Dusche inklusive.
Von Bahir Dar aus besuchen wir die Wasserfälle des Blauen Nils. Die Fahrt dorthin ist landschaftlich sehr reizvoll und führt durch einige sehr ursprüngliche Dörfer. Erneut werden wir mit neuen Seiten des Lebens in Äthiopien konfrontiert. Wir beobachten wie die Menschen ihre Notdurft ganz normal am Straßenrand verrichten, Frauen ihre Haare nach dem Regen in den Pfützen waschen, und Männer gänzlich ungeniert ihre Körperpflege in den Flüssen betreiben.
Die Nacht stehen wir an einem kleinen Parkplatz, von wo aus eine kurze Wanderung über eine alte portugiesische Brücke zu den Wasserfällen führt. Zugegeben in der Trockenzeit sind diese Wasserfälle nicht sehr aufregend, doch mittlerweile hat es soviel geregnet, dass wir gut erahnen können, wie imposant das Schauspiel nach dem großen Regen sein kann.
Die weitere Strecke nach Debre Markos Richtung Süden führt erneut durch eine satte, grüne Landschaft. Die Menschen bearbeiten und pflügen mit Ochsen ihre Äcker. Es eilt, die große Regenzeit steht quasi vor der Türe. Leider kommen wir auch durch Gegenden, in denen der ohnehin dürftige Baumbestand rigoros weiter abgeholzt wird. In Äthiopien wird viel Holz benötigt, zum einen zum Bau von Gebäuden, zum anderen für die viele Holzkohle, die vielerorts produziert wird. Mit schnellwachsendem Eukalyptus aus Australien versucht man der Eruption entgegen zu wirken und den Nachschub zu sichern.
Eine von Japanern neu gebaute Straße verbindet Debre Markos mit Addis Ababa. Zum Großteil ist die Straße auch wirklich gut gelungen, nur die vielen Serpentinen, die sich über 1500 Meter Höhenunterschied in die Schlucht hinunter zum Blauen Nil und auf der anderen Seite wieder hinaufwinden, sind bereits wieder höchst sanierungsbedürftig. Die Straße hat extrem tiefe Spurrillen und abgesenkte Stufen und Kanten. Das macht die Strecke eher zu einem Offroad Erlebnis und wir kommen langsam voran. Dennoch, landschaftlich ist dieser Abschnitt ein Highlight. Kurz vor dem Ort Gebre Tsion finden wir einen fantastischen Schlafplatz mit Blick über das gesamte Tal des Blauen Nil und über die unendlich vielen Tafelberge. Aber das Schönste: Es hat keine Kinder! Völlig ungestört sitzen wir vor dem Auto und genießen bei einem Bierchen den Sonnenuntergang. So stellen wir uns das Reisen vor!
Je näher wir der Hauptstadt kommen, umso stärker wird natürlich der Verkehr. In den Dörfern sehen wir hin und wieder schon mal Steinhäuser mit richtigen Fenstern. Und, wir sehen das erste Reklameschild für Milch. Im gesamten Norden des Landes haben wir die letzten 5 Wochen keine Milch bekommen. Das gibt es einfach nicht. Doch hier im Umland von Addis Ababa wird Milch produziert und zum Handel angeboten.
Die riesige Stadt, liegt in einem Kessel zwischen 1850 und 2450 m über dem Meeresspiegel, sie ist die dritthöchst gelegene Hauptstadt der Welt und es leben ca. 5 Mio. Menschen hier. Wir wollen uns einen Eindruck verschaffen und kreuzen quer durch. Addis Ababa ist keine schöne Stadt. Zurzeit ist die Innenstadt eine einzige große Baustelle. Eine S-Bahn, große Brücken und riesige Häuser werden gebaut. Dazwischen liegen immer wieder einfache Wohngebiete, wo wir uns fragen, wo die Menschen ihre Notdurft verrichten, Kanalisation Fehlanzeige. Da wir einige Male durch die Stadt fahren, um unsere Dinge erledigt zu bekommen, kommen wir in verschiedene Gegenden und die Armut, die sich uns hier zeigt macht uns nachdenklich. Wir treffen auf junge Frauen mit Babys im Arm, die nicht nur uns anbetteln, wir sehen alte, hoffnungslose Menschen, die einfach nur am Straßenrand sitzen und warten. Auf dem Fußweg kommt uns ein vollkommen nackter Mann, notdürftig in eine Wolldecke gehüllt, entgegen. Seine Hose, eigentlich nur noch Fetzen, trägt er in der Hand. Am Straßenrand liegt ein nackter Mann, ebenfalls nur in eine Wolldecke gehüllt, zitternd am Boden. Die Passanten geben ihm Geld. Nach dem Regen der letzten Tage sind viele Stadtteile eine einzige schlammige Rutschpartie. Wir können uns gut vorstellen, dass auch die Lehmböden der einfachen Häuser durchweicht sind. Stundenlanger Strom- und Internetausfall ist in dieser Stadt an der Tagesordnung und so sicher wie die Tatsache, dass die Sonne im Westen untergeht. Schöne Ecken sehen wir nicht.
Wir kommen bei Juana und Stephane unter. Die beiden haben wir vor wenigen Wochen in der Gheralta Lodge kennengelernt und ihre Einladung, sie in Addis Ababa zu besuchen, gerne angenommen. Juana kommt aus Kolumbien und Stephane, er arbeitet beim Roten Kreuz, kommt aus England. Die Straße in der sie wohnen ist eine Sackgasse, an deren Ende wir prima stehen können. Die Gegend ist sicher alles wird rund um die Uhr bewacht. Wir verbringen eine Woche mit den beiden und der kleinen 15 Monate alten Sophie.
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Äthiopien I - Fahrt in den Norden
Äthiopien II - Durch das Hochland Richtung Süden
... Menschen in Äthiopien
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