Reisebericht Sierra Leone - Weltenbummler Shumba - Weltreise mit dem Allrad Reisemobil

Direkt zum Seiteninhalt


Reisebericht Sierra Leone


... nach Bürgerkrieg und Ebola





__________________________________________________________________________________

Teil I >  Pamelap - Gbentu        20.12.2018 - 04.01.2019      1.021 km

__________________________________________________________________________________

Nachdem auf Guinea Seite die Straße bis zum letzten Meter mit Schlaglöchern gespickt war, nimmt uns nach der letzten „Wäscheleine“, sprich Grenzposten, eine exzellente Teerstraße (von Europa finanziert) auf. Bald haben wir ein paar nervige Polizeikontrollen, die mit Humor genommen, leicht passierbar sind, hinter uns gelassen und schon campieren wir an einem schönen Fleck am Kissikissi River. Durch die Nacht begleitet uns das Trommeln im nahegelegenen Dorf. Die Dörfer entlang der Straße sind ähnlich denen in Guinea, die Menschen leben bzw. schlafen in Steinhäusern, gekocht und gelebt wird ohnehin im Freien.
 
In Sierra Leone spricht man wieder Englisch, wenn auch holprig und oft das sogenannte Kreol. Allmählich kommen wir ob der vielen Sprachen schon mal durcheinander.
 
Unser erstes Ziel ist Freetown, die Hauptstadt. Der Bau einer neuen vierspurigen Schnellstraße, natürlich unter chinesischer Leitung, ist in vollem Gange, und die dazugehörigen, voll elektronischen Mautstellen sind bereits in Betrieb. Und bevor ich es vergesse zu erwähnen, Sierra Leone ist im Vergleich zu Guinea relativ sauber.
 
Nach Ende der Sklaverei im 19.ten Jahrhundert wurden viele ehemalige Sklaven aus der Karibik und aus Amerika wieder nach Afrika, nämlich hierher zurückgebracht, daher der Name Freetown.
 
In Freetown herrscht Karibik Flair, Musik dröhnt aus allen Buden und Häusern, Pärchen gehen Hand in Hand, Marihuana wird im Vorbeifahren angeboten. Darüber hinaus ist es das typische afrikanische Chaos, wie in allen Großstädten. Bald stehen wir im Stau und eh wir uns versehen, befinden wir uns mitten auf dem großen Markt, wie schon so oft, müssen wir mitten durch. Lediglich im Schneckentempo können wir uns „durchschleichen“. Die Marktfrauen am Straßenrand ertragen mit stoischer afrikanischer Gelassenheit den Lärm und die Abgase, bauen Sonnenschirme ab und schieben Tische weg, und dies Tag für Tag.
 
Freetown ist eine besondere Stadt, auf viele Hügel verteilt, mit den besseren Wohnvierteln an den Hängen oder direkt am Meer gelegen, während sich zwischen den Wellblechbuden der Armen die Müllabladeplätze befinden. Bunte TucTucs wuseln neben Luxuskarossen durch den dichten Verkehr. Hier herrscht eine ganz besondere Atmosphäre.
 
Wie immer in einem neuen Land brauchen wir Geld und eine SimKarte. Der größte Geldschein im Land ist der 10.000 Leone, dies entspricht etwa 1€. Und da die Geldschlitze an den Automaten maximal 40 Scheine „ausspucken“ können, bekommen wir also nur den Gegenwert von etwa 40€ also 400.000 Leone. Jetzt brauchen wir aber für einen vollen Tank Diesel ca. 600€, also gehen wir mit dem Jutesäckchen zur Bank und ziehen die Automaten leer.
 
Als ich im Auto auf Klaus warte, der gerade eine SimKarte kaufen ist, klopft es an meiner Tür. Es ist Martin aus Deutschland. Er ist hier verheiratet, lebt seit langer Zeit hier und betreut mehr als hundert Ambulanzfahrzeuge, die im ganzen Land eingesetzt werden. Von ihm erhalten wir den Tipp nach Lakka zu fahren. Dort lebt Peter, ebenfalls ein Deutscher, und der hat in dem kleinen Nest, direkt am Strand ein gutes Restaurant. Da es ohnehin schon wieder Nachmittag ist, nehmen wir den Tipp gerne an. Auf dem Weg dorthin, treffen wir erneut Charlotte und Max, die sich kurzerhand anschließen.
 
Lakka ist ein kleines Dorf, direkt am wunderschönen gelben Sandstrand. Peter kennt hier jeder und so finden wir den Weg zu seinem Restaurant auch schnell durch die verwinkelten Gassen, durch die der LKW gerade so durchpasst. Wir werden begrüßt, als hätten alle auf uns gewartet. Herrlich! Und auch mit Peter verstehen wir uns auf Anhieb. Es ist ein schöner Platz, um Weihnachten zu verbringen. Von Peter, der Jahrzehnte als Legionär, in Afrika unterwegs war, erfahren wir sehr viel Interessantes über das Land und die Probleme.
 
Klaus und Max ergreifen die Gelegenheit und reparieren einen abgebrochenen Bolzen an unserer Motorradkiste. Es ist eine harte Arbeit, die einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Ich bringe in der Zeit die Waschmaschine von Peter zum Schäumen. Was ein Luxus! Am Abend gönnen wir uns leckere Riesenprawns und gegrillten Barrakuda. Uns geht’s richtig gut! Wenn nur nicht die laute Partymusik während der Nacht wäre. Selbst Ohrstöpsel helfen da nicht. Die Menschen hier feiern gerne und lange.


Charlotte und Max brechen an Heiligabend wieder auf und Peter hat für uns eine besondere Überraschung parat. Bereits am Nachmittag lernen wir Xavier und seine 4 hübschen Frauen, seine Frau und 3 Töchter, kennen. Sie sind aus Freetown hierhergekommen, um Weihnachten zu feiern. Xavier ist Franzose und er ist Manager bei Total. Etwas später kommen dann noch Peter und Yara dazu. Peter ist ursprünglich aus Regensburg und Yara ist aus Kasachstan. Ja, und die beiden haben so richtig aufgekocht. Gefüllte Ente mit selbstgemachtem Rotkraut und zum Nachtisch einen fantastischen kasachischen Weihnachtskuchen, der vor Rum geradezu trieft. Grandios! Wir sind herzlich eingeladen und verbringen einen lustigen Abend mit unseren neuen Freunden und dieser französischen Familie.
 
Am nächsten Morgen, bereits etwas spät, tanken wir noch gutes Quellwasser auf Peters Grundstück, waschen mit Hilfe seiner Angestellten den LKW und machen uns anschließend auf den Weg nach Süden. Dort soll es weitere wunderschöne Strände geben.
 
Weihnachten, so scheint es, sind alle Menschen irgendwie unterwegs, Partys und laute Bum-Bum-Musik allerorten. Doch wir werden auf einem Baugrundstück fündig, direkt am Atlantik an dem schönen Strand von Bureh, gelegen. Moussa und Mabinzi, ein junges Pärchen, kümmern sich um dieses Stück Land, auf dem irgendwann ein Restaurant entstehen soll. Alle Strandgrundstücke sind bereits verkauft und eingezäunt – der Tourismus kann kommen. Wir nutzen die Tage für kleinere Reparaturen und Wartungsarbeiten am LKW und kümmern uns um unsere Korrespondenz, Fotos und unsere Webseite. Auch für Spaziergänge am Traumstrand ist natürlich Zeit und die Tage vergehen wie im Flug.
 
Nach 4 Nächten verlassen wir Bureh, um das Landesinnere zu erkunden. Auf dem kleinen quirligen Markt von Tombo versorgen wir uns noch mit XXL-Garnelen. Überall werden wir mit „apato-apato“ („Weiße-Weiße“)- Rufen begrüßt und durch den Markt begleitet.
Die Menschen begegnen uns überall ausnehmend freundlich, herzlich und entspannt. Alle sind irgendwie lustig, voller Lebensfreude und „gut drauf“, sehr natürlich und offen, und doch gleichzeitig zurückhaltend, natürlich eben. Die Menschen freuen sich regelrecht, dass man hier ist. Der Tourismus ist eben hier in dieser Weltgegend noch nicht zum Alltag geworden, alles ist so ursprünglich. Dieses Land zu bereisen ist so easy, man fühlt sich so angekommen und angenommen.
 
Auf der von EU-Mitteln instandgehaltenen West-Ost-Verbindung kommen wir zügig voran, vorbei an kleinen Dörfern, die Häuser teilweise baufällig, die bunte Wäsche auf Bambusstangen im Wind trocknend. Wenn das meterhohe Elefantengras den Blick freigibt, erscheinen kleine Felder mit Bohnen, Maniok oder Bananen, dahinter liegen palmenbestandene Hügel.
 
Elektrizität gibt es nicht, das Wasser kommt, wenn man Glück hat aus Brunnen in der Nähe der Dörfer, es muss „nur“ noch in die Häuser geholt werden. Unnötig zu erwähnen, dass diese Schlepperei auch in diesem Land Frauensache ist.
 
Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz folgen wir einer kleinen Seitenstraße. Weil alles zugewachsen ist und es keine Möglichkeit zur Umkehr gibt landen wir nach gefühlt unendlichen Kilometern, es wird schon fast dunkel, in einem Dorf mitten im Busch. Wir erfahren es ist das Dorf Magbwama und ob hier schon mal ein Tourist war, erschließt sich uns nicht. Wie so oft wenn wir in ein Dorf kommen, müssen wir den hiesigen Ritualen folgen, soll heißen, wir müssen zum Chef des Dorfes. Doch die Dame ist bei einem Meeting, ihr Deputy ist nicht auffindbar, doch der „Chief of the Youth“ ist da und darf in diesem Fall entscheiden, ob und dass wir auf dem Fußballplatz übernachten dürfen. Wir müssen nur noch Abwarten, bis das Freundschaftsspiel zu Ende ist. Anschließend dürfen wir unseren LKW parken und werden noch von einer Dorfabordnung begrüßt. Gemäß ihrer Tradition erwartet diese von uns einen Gastobolus.
 
Wir erhoffen uns eine ruhige Nacht, doch Trommeln und Gesang begleiten uns bis in die frühen Morgenstunden. Ab 05.00 Uhr wechselt es dann in laute Radiomusik, was darin gipfelt, dass uns um 07.00 Uhr ein gänzlich übersteuerter Ghettoblaster an unser offenes Küchenfenster gehalten wird. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken. Diese unermüdliche Truppe tanzt und singt für uns vor dem LKW, schließlich sind wir seit gestern ein Teil der Dorfgemeinschaft. Doch trotz der netten Gesten und aller demonstrierten Zugehörigkeit fahren wir weiter, durchqueren die Stadt Bo und kommen nach Kenema, wo wir endlich einen funktionierenden ATM finden und Geld ziehen können. Hier verlassen wir die gemütliche Teerstraße in Richtung Tongo. Wir durchqueren die letzten Reste des Sierra Leone Regenwaldes, fahren vorbei an kleinen ursprünglichen Weilern, wo die Menschen uns erst einmal ungläubig anschauen und dann aber herzlich lachen und winken.


Kurz vor Tongo übernachten wir an einer Schule. Die Menschen sind sehr zurückhaltend, doch kommen einige zu uns an den LKW, um uns zu begrüßen und zu verstehen was wir hier machen. Der Ort selbst ist sehr einfach, viele Geschäfte, naja eher Buden, wo es das Nötigste für den alltäglichen Gebrauch gibt. Obst und Gemüse gehört leider nicht dazu.
 
Tongo liegt in den zentralen Bergen von Sierra Leone, dieses Gebiet zwischen den vielen Hügelketten ist wahrscheinlich das reichhaltigste Diamantengebiet der Welt. Und kurz hinter dem Ort sehen wir sie schon, die vielen jungen Männer, die mit „Manneskraft“ ganze Hektar Erde umgraben, tiefe Gruben ausheben und mit Wasser, mühsamst, kleinste Diamanten aus dem lehmigen Grund waschen.
 
Die Diamantvorkommen von Sierra Leone sind einmal legendär gewesen. Allmählich, 16 Jahre nach Beendigung des Bürgerkrieges schafft es das Land, sich vom Image der Blutdiamanten und der Gräueltaten zu erholen.
 
Wie kein anderes Diamant produzierendes Land in Afrika hat Sierra Leone zur Entstehung der Begriffe „Blutdiamanten“ oder „Konfliktdiamanten“ beigetragen. Die Begriffe bringen zum Ausdruck, dass blutige Kämpfe und Konflikte mit dem illegalen Verkauf von Diamanten finanziert wurden.
 
Während des lange andauernden und brutal geführten Bürgerkrieges (1991-2002) finanzierte die Rebellentruppe ihren Kampf mit Diamanten, und nicht nur (der irre) Charles Taylor, Warlord und späterer Präsident des Nachbarlandes Liberia und Libyen liefern Waffen, die mit Diamanten bezahlt werden.
 
Wir erinnern uns gut an den Kinofilm mit Leonardo Di Caprio aus dem Jahr 2006, der die Verwicklungen internationaler Waffenhändler in die Kriegsverbrechen aufzeigt. Wir erinnern uns an die Nachrichten aus den 1990ern als die Rebellen vor allem deswegen traurige Berühmtheit erlangten, weil sie wahllos Städte und Dörfer überfielen und tausende von Menschen, oft auf bestialische Weise, umgebracht haben. Darunter waren viele Kinder, die aber auch ihrerseits von den Horden zum Kampf gezwungen und selbst zu Mördern wurden. Das Abhacken der Hände wird dabei zum Markenzeichen der sierra-leonischen Brutalität. Bereits in Nord-Uganda haben wir uns eingehend mit diesen Themen beschäftigt. Doch Diamanten sind nicht der Grund für den Ausbruch der Rebellenkämpfe gewesen, sie haben nur entscheidend die Fortdauer und den Verlauf des blutigen Bürgerkrieges beeinflusst. In Europa werden die Gräueltaten in den frühen 1990er Jahren kaum beachtet.
 
Misswirtschaft und Arbeitslosigkeit haben zehntausende von Jugendlichen dazu gebracht, ihr Glück als Diamantenschürfer zu versuchen. Sie mussten unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten, und zu Recht prangerten die Rebellen die Ausbeutung der ländlichen Regionen an. Milliardenbeträge flossen in die Taschen der Händler und korrupten Politiker, sie verdienten vor allem daran, dass Diamanten außer Landes geschmuggelt wurden. Doch nicht nur die Rebellen, auch die Regierungsseite nutzte Diamanten zur Finanzierung ihrer Waffenkäufe und auch dazu die südafrikanische Söldnerfirma „Executive Outcomes“ zum Schutz der Hauptstadt Freetown anzuheuern.
 
Kurz zusammengefasst, führte das alles zu einem unkontrollierten Zustrom afrikanischer Arbeiter, die bald auch aus Guinea und Libera kamen. Eine völlig außer Kontrolle geratene Situation entstand, eine Goldgräberstimmung machte sich breit und illegale Aufkäufer hatten das Sagen. Diamantensucher schlossen sich zu Banden zusammen, Regierungsbeamte erwiesen sich als korrupt und Farmer gaben ihre Arbeit auf, um nach Diamanten zu suchen. Dies wiederum führte zu ernsthaften Versorgungsproblemen, und die Diamanten begannen, das Land zu ruinieren. Die illegale Produktion belief sich auf etwa 1 Million Karat.
 
Auch heute noch existieren Probleme wegen des Diamantenabbaus. Die Regierung war nicht zimperlich bei der Vergabe von Abbaulizenzen an internationale Firmen und duldete, dass die Exporte unterbewertet werden. Einheimische Arbeitskräfte werden nach wie vor sehr gering bezahlt. Man geht davon aus, dass etwa 120.000 Menschen als Diamantenschürfer tätig sind und insgesamt, die Familienangehörigen eingerechnet, etwa 500.000 Menschen vom Abbau leben. Das ist etwa ein Zehntel der Bevölkerung. Häufig müssen sie Umsiedlung und Vertreibung in Kauf nehmen, wenn die neuen Konzessionäre große Landflächen für den Abbau pachten.
 
Im Diamantenabbau existiert Kinderarbeit nach wie vor, auch wenn sich in den letzten Jahren durch Druck von außen geringfügige Verbesserungen ergeben haben. Viele Firmen gingen mit äußerster Brutalität vor und haben sich durch erbärmlichen Umgang mit der einheimischen Bevölkerung hervorgetan. Der jahrelange Raubbau hat darüber hinaus eine verbrannte Erde hinterlassen, die Felder sind durchzogen von kraterähnlichen Löchern und Gruben und allgemeinen Verwüstungen, so wie hier in Tongo. Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur sind von den heute in Sierra Leone operierenden Gesellschaften nicht zu erwarten.


Wenn wir unseren Informationen trauen können, so war Sierra Leone nach dem Bürgerkrieg bis zum Ebola Ausbruch 2014 ein, sich auf der Erfolgsschiene befindliches, Land. Doch dieser Erfolg wurde durch den Virus jäh eingebremst und jetzt versucht man erneut auf die Beine zu kommen. Die Instabilität der Lebensbedingungen setzt sich leider weiter fort.
 
Wenn wir uns mit dieser ziemlich brutalen und blutigen Vergangenheit auseinandersetzen, dann ist für uns die Herzlichkeit und Offenheit und die Fröhlichkeit mit der uns die Menschen begegnen umso bemerkenswerter.
 
In einem winzigen Nest, Dhanban, tanken wir an einer Quelle Wasser. Der Wasserhahn ist mit einem Bindfaden notdürftig repariert, es bräuchte dringend einen Neuen, doch die umgerechnet €7 kann die Dorfgemeinschaft nicht aufbringen, es gibt wichtigere Sachen.
 
Wir nehmen uns Zeit und sitzen mit den Ältesten, es ist so leicht mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Das Dorf ist gebeutelt von den Nachwehen des Bürgerkrieges und dann von den Folgen von Ebola. Sie erzählen von einem extrem schweren Leben. Der Verkauf von Kokanüssen, Cassava, Süßkartoffeln, Bananen und Reis finanziert das Notwendigste. Ansonsten leben sie von dem, was der Busch hergibt. Die Piste, die hier durchführt, ist in der Regenzeit kaum passierbar, die Wege zu den Märkten sind weit. Das bisschen Kaffee- und Kakaoanbau ist ein Zubrot und hält sie zudem über Wasser. Brot zu bekommen sei schwierig. Zwischen den heutigen Hütten stehen die Ruinen der Häuser, die im Bürgerkrieg zerstört wurden. Geld für den Wiederaufbau haben die Menschen nicht. Immerhin kann man noch ein paar alte Steine verwenden.
 
Es sind genau diese Gespräche, die unsere Recherchen und unser Wissen ergänzen und validieren. Und es sind auch diese Gespräche, die nachwirken, die uns das Land mit anderen Augen sehen lassen, nicht nur als tropisches Paradies mit Traumstränden. Wieder sind es die Menschen, die in Erinnerung bleiben.
 
Die weitere Piste ist sehr ausgewaschen und mühsam zu bewältigen. Wir können jede Beschreibung der Dorfbewohner nachvollziehen.
 
Unterwegs treffen wir auf Bondo-Mädchen, die von ihren Müttern aus dem Busch zurück, in das Dorf geführt werden. Sie haben die letzten drei Wochen im Busch gelebt und ihre Initialisierungszeit dort verbracht. Eingewickelt in Bastmatten, am ganzen Körper mit einer weißen Paste eingecremt, erzählen sie uns von dieser Zeit. Sie sind stolz die langen Tage und Nächte überstanden zu haben, jetzt gelten sie als Frauen und dürfen heiraten. Ob sie auch beschnitten wurden? Ich habe die Frage komplett vergessen zu stellen.
 
Den Jahreswechsel verbringen wir bei einem herrlich zarten Rinderfilet und einer guten Flasche Wein abgeschieden im Busch, in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Moimandu.


Erst bei Bumpa treffen wir nach drei Tagen Abgeschiedenheit wieder auf die Teerstraße. Dies bedeutet aber nicht, dass die Dörfer entlang dieser Verbindung weniger ursprünglich sind oder dort mehr Wohlstand zu erkennen wäre.
 
Makeni, die zweitgrößte Stadt des Landes bietet uns nochmal die Möglichkeit zur Versorgung, bevor wir uns auf den Weg nach Norden, in die Berge und somit wieder fern der Zivilisation machen. Die Landschaft bleibt wunderschön, große felsige Inselberge tauchen im Dunst hinter den, mit Palmen bestandenen Wäldern auf, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Wir erreichen die Baum- und Buschsavanne. In Makeni habe ich die Gelegenheit mit einer jungen Frau zu sprechen, die als Wachfrau an der Universität, wo wir übernachten, beschäftigt ist. Sie lebt seit einiger Zeit mit ihrer Schwester und ihrer kleinen Tochter in der Stadt. Wegen der Arbeit ist sie hierhergezogen, ihre Eltern sind bei der Ebola Epidemie gestorben. Ihr Monatseinkommen beträgt 300.000 Leone, das entspricht etwa 30€. Sie spricht sachlich und unaufgeregt, frägt nicht einmal nach Hilfe oder Unterstützung. Sie hat Verantwortung übernommen und schaut nach vorne. Bewundernswert!
 
Kabala, ist die letzte größere Stadt, die wir passieren, und hier endet dann auch die Teerstraße. Der weitere Verlauf ist zu Beginn noch eine ordentliche Laterit Piste, doch ab dem Abzweig in Richtung Guinea sind die letzten 50km richtig üble Urwaldpiste. Wir kommen an den kleinen Weilern der Fulla vorbei, die hauptsächlich von Rinderzucht leben. Spät, es ist schon dunkel, finden wir in Hamdallah auf einem Fußballplatz an einer Schule einen Übernachtungsplatz. Am nächsten Morgen sprechen wir länger mit dem Schulleiter und er erzählt uns, dass man in der Regenzeit hier sehr abgeschnitten lebt. Dann gibt es hierher kein Durchkommen mehr, nur noch selten kommt dann ein Fahrzeug mit Waren, die Menschen leben dann vom Busch.
 
Mit einem Schnitt von 7km/h kommen wir voran. Ein paar Kilometer vor der Grenze bricht dann noch ein älterer Cut in der Seitenwand im hinteren Reifen auf. Mit Geduld ist der Reifen bald gewechselt und wir können weiter, doch es folgen weitere Hindernisse. Mehrfach ist die Straße weggebrochen und wir müssen zwei Brücken bauen. Doch immer wieder tauchen, wie durch ein Wunder, auf dem Feld oder im Wald arbeitende Männer auf, die gerne behilflich sind und Baumstämme oder Planken anschleppen. Es sind keine Wege, keine Häuser zu sehen, doch immer wieder stehen plötzlich wieder Menschen da, mit Macheten oder Waffen, sie kommen irgendwoher aus dem Busch.
 
Ein Holzgatter sagt uns, wir haben den kleinen Grenzposten auf Sierra Leone Seite erreicht. Der Papierkram ist schnell erledigt, man hat quasi auf uns gewartet.
 
Dann noch ein ziemlich enges, holpriges und mit großen Steinen durchsetztes Stück Bergfahrt und wir erreichen den ersten Gendarmerieposten in Sandankoro, Guinea.
 
Ab hier soll die Piste besser werden – Insh’Allah…

_________________________________________________________________

_____________________________________

HIER WEITERLESEN

          >> Guinea II

_____________________________________

_________________________________________________

BILDERGALERIEN:  

   >> Sierra Leone
_________________________________________________



Zurück zum Seiteninhalt