Reisebericht Mauretanien
Besondere Gastfreundschaft und
der längste Zug der Erde
Teil III
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Teil III > Atar - Maaden - Guerguerat 29.03. - 16.04.2019 1.053 km
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Doch es hat auch sein Gutes. Bei Baba lernen wir Salek, seinen Freund, kennen. Salek lädt uns ein, ihn in sein Dorf, nach Maaden, zu begleiten. Sowohl Baba als auch Salek machen ein Geheimnis um diesen Ort. Wir erfahren nur, dass dieser Ort vor etwa 30 Jahren von einem weisen Marabout gegründet wurde, der eine besondere, fortschrittliche Philosophie verfolgte und Menschen um sich geschart hat, die mit seinen Gedanken übereinstimmten. Was damit gemeint ist, spüren wir sofort, als wir die kleine Oase in den Dünen des Erg Almatlich über sehr beschwerliche Anfahrtswege erreichen.
Obwohl es schon spät und bereits dunkel ist als wir ankommen, steht eine Abordnung der Ortsverantwortlichen bereit, um uns zu begrüßen. Die Tochter des Marabouts, die Bürgermeisterin, und ihr Mann, Mohamed, Dorfarzt und Nachfolger des Marabouts, sowie Lamin, der Imam des Dorfes. Herzlich werden wir mit Handschlag begrüßt, sogar ich. Schnell spüren und erkennen wir den achtsamen und sehr respektvollen Umgang miteinander. Hier ist jeder willkommen. Es gibt in der Ortsmitte extra ein Haus für Gäste, das uns zur Verfügung steht. Hier können wir schlafen und uns aufhalten. Es wird Tee gekocht, geredet, gelacht und im Hintergrund kocht man das Abendessen für uns, das wir dann alle gemeinsam einnehmen.
Am nächsten Morgen erwarten uns Mohamed und Salek bereits, um uns den Ort und die umliegenden Plantagen zu zeigen. Der erste Weg führt uns in Mohameds Praxis. Auch hier bereitet man bereits heißes Wasser zur morgendlichen Teezeremonie. Stolz zeigt er uns alle Gerätschaften und Räume des kleinen Hauses. Wir sind überrascht, wie gut er bereits ausgestattet ist und welche Visionen er noch verfolgt. Natürlich hat es sich im Ort rasend schnell herumgesprochen, dass Weiße angekommen sind. Die Menschen winken aus den Häusern zu oder laufen uns entgegen, wenn sie uns sehen und begrüßen uns. Wir schütteln viele Hände. Die älteren Frauen haben einen kleinen Marktplatz für uns organisiert und aufgebaut. Sie zeigen uns ihre handwerklichen Arbeiten, alles sehr locker, ohne das übliche Verkaufsgequatsche und Bedrängen. Nicht mal die Kinder fragen nach dem obligaten „Cadeaux“.
Die großen Plantagen direkt hinter dem Ort und vor dem großen Erg Almatlich sind beeindruckend. In Maaden werden tonnenweise Karotten und auch anderes Gemüse angebaut und im Land vertrieben. Alles funktioniert in einem kooperativen System, alle helfen allen und alle profitieren. Über viele kleine Kanäle wird das notwendige Wasser geleitet. Viele Brunnen wurden auf den einzelnen Feldern gebohrt. Fast auf jedem Feld drückt man uns bündelweise Karotten in die Hand. Wer soll denn das Essen? Es ist fantastisch was diese Menschen hier buchstäblich aus dem Boden gestampft haben.
Jeden Morgen erwartet uns Salek mit frischem Brot, das von den Frauen gebacken wird. Erneut vertreiben wir uns den Tag mit Schauen und Beobachten. Am Abend lädt uns Salek zu sich nach Hause ein, Faitah seine Frau hat für uns gekocht. Gemeinsam mit Mohamed, Lamin und Salek sitzen wir vor seinem Haus auf einem großen Teppich, lehnen uns an dicke Kissen und genießen das Essen und den Tee. Es schmeckt vorzüglich, alles frisch von den umliegenden Feldern. Als Gastgeschenk erhalte ich von Faitah ein typisches Gewand, einen Schleier, der um den Körper gewickelt wird und auch den Kopf bedeckt. Geduldig zeigt sie mir wie ich das große Tuch richtig anlege und binde.
Wir organisieren einen Tagesausflug per Kamel ins Nachbardorf durch die Dünen des Erg Almatlich. Gemütlich vor uns hinschaukelnd, stapfen wir, jeder geführt von einem Mehari, fast lautlos durch den weichen Sand. Gut, dass Salek als unser Guide die Orientierung hat. Mittags wird Brot auf der Feuerstelle im Sandloch gebacken, es gibt Salat aus Maaden dazu. Ein grandioser Tag.
Auch der nächste Tag ist ausgefüllt. Gleich nach dem Frühstück werden wir zu einer Tauffeier eingeladen. Mohamed ist Großvater geworden und die Frauen der direkten Verwandtschaft feiern heute die Taufe. Klaus ist als einziger Mann dabei. Bald schon wird Musik gemacht und dazu getanzt, dazwischen werden immer wieder mit Essen gefüllte Platten gereicht und natürlich der Tee.
Und dem nicht genug. Am selben Abend werden wir noch zu einer Hochzeit eingeladen. Welche Ehre! Irgendeine Cousine von Faitah heiratet im Nachbardorf. So „stapfen“ wir mit Salek, ich, in mein neues Gewand gehüllt, in der Dunkelheit einige Kilometer bis ins Nachbardorf. An einem kleinen Gehöft werde ich herzlich von ein paar Frauen in Empfang genommen und in ein Haus geführt. Die Männer müssen draußen bleiben. Sie machen es sich mit viel Palaver auf einem Teppich vor dem Haus gemütlich.
Im Inneren des Hauses wird die Braut geschmückt, genauer gesagt immer noch geschmückt. Die Prozedur, an der 8(!) Frauen „arbeiten“, dauert bereits den ganzen Tag. Ihre Schwester erklärt mir, dass sie bereits seit dem frühen Morgen hier zusammen sind, um die Braut zu richten. Zu Anfangs kann ich nicht viel erkennen, die Braut liegt, in viele Schleier gehüllt, in einer Ecke des Raumes auf dem Boden. Etwas unsicher, ob der Gepflogenheiten überreiche ich der jungen Frau unser Hochzeitspräsent. Ebenfalls unsicher zieht sie ihren Schleier zur Seite und zeigt sich mir. Ihre Hände und ihre Füße sind mit Henna in feinen Ornamentmustern bemalt. Unter einem bestickten Schleier erscheinen ihre langen Haare, die zu vielen Zöpfchen geflochten wurden und in die viele kleine Schmuckteile eingearbeitet sind. Ihr Haupt wirkt wie eine Krone.
Die Braut ist eine sehr junge Frau, schätzungsweise 18 Jahre alt. Sie wirkt aufgeregt. Immer wieder zupft sie an ihren Haaren. Die Flechtarbeiten schmerzen sie, einige der Frauen versuchen nachzubessern. Mir erscheint sie eher traurig als freudestrahlend. Später erfahre ich, dass es eine, zwischen den Familien arrangierte, Hochzeit ist. Ob das der Grund für ihre Bedrücktheit ist, wage ich nicht zu spekulieren. Die Frauen lassen sich bei ihrer Arbeit durch mein Hiersein nicht stören, unbeirrt malen und schminken sie weiter, um bald darauf den umfangreichen wertvollen Goldschmuck anzulegen.
Es sind außerordentlich berührende, ja fast schon intime Momente, die ich hier miterleben darf. Die Frauen ohne Schleier bei ihren Verrichtungen beobachten zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes.
Als die Braut fertig ist, fangen die jungen Frauen an, auch sich zu schminken und mich lassen sie natürlich nicht außen vor. Auch ich werde „hochzeitsfertig“ gemacht. Von der Braut erhalte ich ein „neues Gewand“, speziell für die Hochzeit. Als wir später gemeinsam das Haus verlassen, erkennt mich Klaus fast nicht mehr.
Die Hochzeitsfeier findet am Hause des Mannes statt. In einem PickUp werden die Braut, von Kopf bis Fuß eingehüllt in einen übergroßen schwarzen Schleier, und ihre Brautjungfern dorthin gebracht. Wir laufen dem Auto hinterher, einem Feuerwerk entgegen, von Weitem schon hören wir die laute, dröhnende Musik.
Der unmittelbare Platz vor dem Haus des Mannes ist durch einen Zaun abgesperrt. In das Innere dürfen nur die engsten Angehörigen und Freunde. Zuschauer und andere Dorfmitglieder bleiben sozusagen Zaungäste. In dem eingezäunten Bereich spielt auch die Musik. Es ist eine Frauenband, eine Trommlerband mit einer Sängerin, die einen ohrenbetäubenden Lärm machen, der bei uns nie und nimmer als Musik durchgehen würde. Das Mikro, bzw. die Boxen sind völlig übersteuert und viel zu laut. Aber – das ist Afrika!
Wir dürfen in den inneren Kreis, zu den engsten Angehörigen und quetschen uns durch das Gedränge zu einer Sitzmöglichkeit zwischen andere Personen auf den Boden. Direkt vor unserer Nase tanzen zu den rhythmischen Klängen abwechselnd die Frauen, dann die Männer. Auch wir werden aufgefordert mit zu tanzen. Das kann ich natürlich nicht ausschlagen. Die Damen freuen sich sichtlich darüber. Die vollverschleierte Braut und der Bräutigam sitzen auf einer Stufe im Kreis der Familie und beobachten freudig das Geschehen.
Ergriffen und bewegt, mit starken Bildern im Kopf, verlassen wir etwa gegen Mitternacht das Fest und gehen in der Dunkelheit zurück nach Maaden.
Am Weg zurück erklärt uns Salek, dass die Hochzeit insgesamt drei Tage dauert. Gestern war die eigentliche Trauung vor dem Imam, ähnlich wie bei uns die kirchliche/standesamtliche Trauung, dies findet im engsten Familienkreis statt. Heute ist die Feier für die angereisten Familien und heute findet auch die Hochzeitsnacht statt. Die Braut bleibt auf dem Fest für die Öffentlichkeit in schwarz verschleiert, erst am folgenden Tag zeigt sich die Braut in ihrer geschmückten Pracht der Öffentlichkeit, dann in einem weißen Gewand. Die Feier mit Musik und Tanz geht weiter. Nur so lohnt sich für die Verwandtschaft die weite Anreise. Am vierten Tag wird der Schmuck wieder abgelegt, die Feierlichkeiten sind vorbei und der Alltag beginnt.
Nach einem ausgezeichneten Mittagessen bei Mohamed und seinen drei Frauen brechen wir nach vier Tagen wieder auf. Natürlich nicht ohne vorher noch Geschenke auszutauschen.
Als wir den Ort verlassen winken und rufen uns die Menschen zu. Viele von ihnen haben wir kennengelernt, ihre Hände geschüttelt, mit ihnen Tee getrunken. Wir könnten noch Tage hier verbringen, so angenehm sind die Menschen und die Umgebung. Wir haben gute Gespräche geführt und viel gelernt. Es ist ein wundervoller Fleck!
Als ich in Arbeitskleidung zum Reifenwechsel antrete, schaut Salek mich mit großen, sehr großen Augen an. Sehr erstaunt und sehr höflich „teilt er mir mit“, dass „bei uns“ die Frauen solche Arbeiten nicht machen. Das ist Männerarbeit. Frauen sitzen bzw. bleiben im Hintergrund und warten ab. Er „fügt“ sich weiterhin kopfschüttelnd und so wechseln wir den Reifen eben zu dritt.
Klaus sitzt der Schreck noch in den Knochen, wortkarg und sehr vorsichtig fahren wir weiter. Es ist eine schmale, zweispurige Piste, die zunächst entlang dem großen Sandmeer, Erg Almatlich, hinauf auf ein Plateau führt. Die Strecke ist sehr abgelegen, es ist keine Verbindungsstrecke. Langsam, sehr langsam kommen wir voran. In der Nähe eines kleinen Weilers bleiben wir in einem tiefsandigen Bachbett stecken. Schnell ist das gesamte Dorf mobilisiert uns beim Ausgraben zu helfen.
Immer wieder fängt es leicht zu regnen an. Die abendliche Teezeremonie und das gemeinsame Essen bereiten wir im LKW vor. Und während wir später komfortabel und trocken in unserem Bett liegen, bereitet sich Salek sein Lager, vom Regen geschützt, unter dem LKW. Er schläft dort tief und fest, ich höre ihn des Öfteren schnarchen. Auch am Morgen gibt es erst einmal Tee und Brot. Ohne das geht in Mauretanien gar nichts.
Kurz vor der Einfahrt zu einem großen Sandfeld passiert, was stets die Gefahr ist auf solchen Strecken, erneut schlitzen wir uns an einem Stein, der unter einem Kamelgrashügel nicht zu sehen war, den hinteren linken Reifen auf. Zwei Reifen vernichtet innerhalb weniger Kilometer! Das ist heftig!
Jetzt müssen wir unseren Ersatzreifen vom Dach, der auch nicht mehr der Beste ist, auf Felge ziehen. Dieses Mal greift Salek durch. Die Frau wird in die Küche „verbannt“ und die Männer machen die Arbeit. Nach nicht mal zwei Stunden ist der Reifen montiert und alles wieder verpackt. Wir können weiter und „sandeln“ uns auf der nächsten Bechane Düne gleich schon wieder richtig ein. Schaufeln und buddeln ist angesagt. Fitness kann man sich bei solchen Fahrten getrost sparen. Noch ein kurzes Stück und wir erreichen den Pass Tivoujar. Dieser Anblick entschädigt dann doch für die Mühen. Ein wunderschönes, sandiges, zwischen hohen Felsen liegendes Tal tut sich vor uns auf. Von hier geht’s hinunter ins Vallée Blanc und auf tiefer Sandpiste durch die Oase Toumgad, die nur zur Dattelernte wirklich bewohnt ist, weiter bis auf die Teerstraße Aoujeft - Atar.
Salek hat während der Fahrt telefonisch versucht, Freunde zu aktivieren, um nach Reifen zu suchen. Doch in dem kleinen Nest Aoujeft bleibt dies (natürlich) ohne Erfolg. Da fällt uns ein, dass sich Baba derzeit in Nouadhibou, der großen Hafenstadt, aufhält. Er verspricht sich dort umzuschauen und wenn nötig in das 400km entfernte Nouakchott fahren, um dort in der Hauptstadt zu versuchen, einen Reifen zu bekommen.
In Aoujeft angekommen, zeigt uns Salek am Ortsrand einen Platz, wo wir ungestört erst mal übernachten und überlegen können, wie es weitergehen kann. Im Übrigen ist der zuletzt gewechselte Reifen direkt am Felgenrand recht porös und bricht schon auf, der wird’s auch nicht mehr lange machen. Wir brauchen wirklich dringend wenigstens einen Reifen. Am Morgen kommt Salek vorbei, bringt frisches Brot und teilt uns mit, dass er bei uns bleiben wird, bis alles geregelt ist und wir beruhigt weiterfahren können. Er fühlt sich für uns verantwortlich.
Klaus und Baba, dieser mittlerweile in Nouakchott, telefonieren mehrmals am Tag. Es hilft nichts, Klaus muss selbst nach Nouakchott fahren und vor Ort sehen was es gibt. Mit dem Minibus sind das fünf Stunden hin und sieben Stunden wieder zurück. Übernachten kann Klaus bei Babas Bruder. Er hat Glück durch die Vorarbeit von Baba und mit seiner Ortskenntnis, finden sie einen gebrauchten, aber gut erhaltenen Reifen.
Während ich im LKW am Ortsrand von Aoujeft warte, was die traditionelle Welt von Salek und seinen Freunden erneut gänzlich durcheinanderbringt. Eine Frau alleine! Hier draußen! Das geht gar nicht. Die Frau hat bei ihrem Mann zu sein. Wir erklären, dass es für uns völlig ok ist.
Salek besucht mich jeden Tag mit einigen Freunden, sie bringen mir Brot. Wir sitzen im Sand, er kocht Tee für uns und wir unterhalten uns über alles Mögliche.
Spät nachts kommt Klaus mit dem Reifen zurück. Er ist gerädert von der „Scheissfahrerei“, 7 Stunden musste er auf einem Notsitz aushalten. Am nächsten Morgen werden die Reifen montiert. Wir laden Salek noch zum Essen ein und nach einer herzlichen Verabschiedung machen wir uns endlich auf den Weg nach Atar zu Baba, wo wir erneut mit anderen Freunden von ihm bekocht werden.
Am nächsten Morgen steht erst einmal ein wenig Arbeit im Internet an, das ausnahmsweise sogar mal funktioniert. Mittags bekocht uns Baba erneut, er meint es gut mit uns. So kommen wir erst spät weg. Noch schnell auf den Markt, etwas Gemüse besorgen und ab geht’s Richtung Norden.
Die Zeit mit unseren neuen Freunden war schön und sehr intensiv, mit unglaublichen Eindrücken, die erst einmal verarbeitet werden wollen. Die Straße nach Choum lässt uns dafür Zeit. Vorbei an vielen Kleingärten und Palmieren, aus Lehm gebauten Dörfern, führt die gute Teerstraße entlang einem sehr breiten Qued. Die Berge Atars liegen schnell hinter uns, es öffnet sich ein weites fantastisches Panorama mit vielen kleinen Inselbergen, die sich zwischen Dünen und Geröllfeldern erheben. Hier kommt man sich richtig klein vor.
Spät am Nachmittag erreichen wir den kleinen staubigen Ort Choum. Am Bahnhof zweigt unsere Piste nach Westen ab, es ist die Piste nach Nouadhibou, entlang der Grenze zur Westsahara und entlang dem Gleis des längsten und schwersten Zuges der Welt, dem Erzzug aus Zouerat. Mehr als 400km Piste liegen vor uns. Wir fahren auf einer Piste der Einheimischen, etwas weiter weg vom Gleis und vermeiden so die material- und spritfressenden Tiefsandfelder. Trotzdem ist der Sand so tief, dass es Sinn macht, Luft abzulassen, um besser voran zu kommen.
Leider fahren wir falsch. Lassen uns irreleiten von Aussagen der Einheimischen, dass es parallel zum Gleis eine gute, eine bessere Piste geben soll. Natürlich beobachten wir unseren Track auf unserer Navigation, doch man hofft ja immer, dass es gleich einen Richtungswechsel gibt, der die Abweichunf wieder korrigiert. Den gab es aber nicht. Zwischen uns und der Hauptpiste liegt mittlerweile ein Dünenfeld von 20 km Breite und somit für uns nicht überwindbar.
Wir entscheiden nach Choum zurückzufahren, auch, um nochmal zu tanken. Dieser „Verfahrer“, übrigens der längste unserer bisherigen Reise, hat uns sehr viel Sprit gekostet, mehr als wir als Reserve eingeplant hatten. Tag abhaken, Schlafplatz suchen. Dummerweise stehen wir auf einer Düne. Wegen einem heftigen Sturm in der Nacht müssen wir 2x umparken. Der starke Wind weht uns den Sand unter den Reifen weg und wir dadurch eine gehörige Schieflage bekommen.
Etwas misslaunig erreichen wir am nächsten Morgen Choum. Schnell ist alles erledigt, noch eine kleine Mittagspause und zurück auf die Piste, diesmal der Richtigen. Anfangs noch Schotter mit teilweise Wellblech wird die Strecke sehr bald sandig, so dass wir erneut Luft ablassen um gut voranzukommen.
Der Eisenerzzug ist die einzige Bahnverbindung in Mauretanien. Mit bis zu 220 Wagons zählt er zu den längsten Zügen der Welt. Die Strecke führt von Nouadhibou an der Atlantikküste tief hinein in die Sahara nach Zouerat. Die Fahrt zurück zur Küste dauert deutlich länger als der Hinweg. Selbst mit drei modernen Diesellokomotiven schafft der Zug vollbeladen kaum 50 Kilometer die Stunde. Bis zu 120 Tonnen Eisenerz müssen die Loks jetzt ziehen – pro Wagon. Damit ist der Iron Ore Train nicht nur einer der längsten, sondern auch der schwersten Züge der Welt. Das birgt ganz eigene Schwierigkeiten: Alle paar Wochen müssen die Gleise ausgetauscht werden. Entlang der Strecke liegen abgeplatzte Schienenteile wie Granatsplitter im Wüstensand.
Uns gefällt die Abgeschiedenheit dieser Strecke. Bald erreichen wir „Ben Amira“, den drittgrößten Monolithen der Erde. Wir treffen dort Christina und Martin, zwei Schweizer Reisende mit einem Unimog und verbringen einen netten Abend miteinander. Die beiden fahren am nächsten Tag weiter. Wir bleiben noch, klettern auf den glatten Steinen umher, und genießen das herrliche Panorama.
Bevor wir querfeldein zurück auf die, an den Gleisen entlangführende, Piste Richtung Westen fahren, machen wir noch einen Abstecher zu „Aisha“, der kleinen Schwester von „Ben Amira“. Dieser Monolith liegt ein paar Kilometer hinter „Ben Amira“ und dort haben sich einige Künstler mit einem Skulpturenpark verewigt.
Die weitere Fahrt ist recht unspektakulär, ab und zu treffe wir auf Gleisposten, die dafür sorgen, dass die Gleise nicht versanden, oder auch Teile auswechseln und auch sonst für die Sicherheit des Zuges sorgen. Wir passieren auch verlassene Dörfer, der Unerbitterlichkeit des Sandes und des Windes ausgesetzt. In Tiefsandfelder oder in weichen Senken bleiben wir auch ab und zu stecken. Same procedure as every time.
Es ist heiß, an die 40 Grad, und abends kühlt es auch nicht so schnell ab. Natürlich lassen wir nachts die Fenster auf, um dann morgens die Patina aus Sand und Staub aus der Hütte zu fegen und zu saugen. Wir haben längst aufgegeben, „alles Pikobello“ sauber halten zu wollen. Wir machen nur noch das Nötigste. Sogar wir fühlen jeden Morgen eine Sandschicht auf unseren Gesichtern und unseren Körpern.
Wir treffen auf einen stehenden Zug, mitten in der Pampa steht er einfach so da. Der Lokführer kommt zu uns runter auf einen kurzen Plausch. Seine Kappe ist bereits ziemlich abgegriffen. Irgendwo auf der Strecke gäbe es wohl ein Problem, jetzt muss er hier warten. Mit einem herzlichen Lachen im Gesicht wünscht er uns gute Weiterfahrt und steigt wieder auf seine riesige Lok. Klaus fällt ein, dass wir noch eine Kappe haben und läuft zum Zug, um diese dem netten Lokführer zu geben. Er wird doch glatt eingeladen, die Lokomotive zu besichtigen! Stolz wie Jim Knopf schaut er aus dem Seitenfenster!
Dieser hier ist ein langer, ein schwerer Zug: mit 4 Loks, 141 Kohlewagons, 7 Tankwagons, 2 Personenwagons, 1 Gepäckwagon, insgesamt also 151 Wagen. Manchmal sind es sogar bis zu 220 Wagons!
Nach sechs Tagen erreichen wir südlich von Bou Lanour die Teerstraße, von Nouakchot nach Nouadhibou. In dem kleinen Ort geben wir noch unser letztes Kleingeld für Brot und Tomaten aus. Nach einer kurzen Mittagsrast telefonieren wir unser letztes Guthaben weg, indem wir unseren Freund Salek anrufen und Grüße an unsere liebgewonnenen Freunde in Maaden und Atar ausrichten lassen.
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